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Von Piloten und Vermögensverwaltern

Ob man sein Vermögen selbst verwalten will, oder ein Flugzeug selbst fliegen will: Der erforderlich Aufwand und die notwendige Zeit, um das passabel zu schaffen, ist vergleichbar. So ungefähr 10-20 Stunden Lernen und ein paar Stunden Praxis reichen meistens aus.

Die Sache ist hier aber, so wie auch in vielen anderen Lebensbereichen, dass zwischen „Wissen“ und „Können“, bzw. „Verstehen“, ein gewaltiger Unterschied besteht. Zwischen einem unfallfreien Flug unter guten Bedingungen und vielen unfallfreien Flügen unter beliebigen Bedingungen über Jahrzehnte hinweg, liegen hunderte Stunden Ausbildung und tausende Stunden Erfahrung.

Berufspiloten besitzen beispielsweise überdurchschnittliche Kenntnisse auf Gebieten wie Physik und Meteorologie, spezielle Ausbildungen für Teamleitung in Krisensituationen und vieles anderes mehr. Sie sind behördlich verpflichtet ihr Wissen regelmäßig aufzufrischen und auf den neuesten Stand zu bringen. Und vor jedem Flug befassen sie sich mit langweiligen Routineaufgaben wie dem Überprüfen der Gewichtsverteilung, der erforderlichen Treibstoffmenge, oder dem Erstellen des Flugplans. Im Flugplan werden alle erdenklichen Faktoren berücksichtigt, wie Flugzeugtyp, Reisedauer, Wetterentwicklung, Verkehrsaufkommen, Ausweichflughäfen, und was sonst noch alles.

An Vermögensverwalter werden Anforderungen ähnlicher Breite und ähnlicher Ausmaße gestellt. Und beide Fälle haben eine herausstechende Gemeinsamkeit:

Man hat nur „einen Versuch“, das schlimmste Ergebnis ist gleichzeitig auch endgültig: wenn man mit dem Flugzeug abstürzt, kann man nicht sagen: „Moment, lass uns nochmal anfangen, ich hab da einen Fehler gemacht.“ So auch bei der Vermögensverwaltung: Wenn man seine Ersparnisse auf einem Sparbuch anlegt und nach 40 Jahren bemerkt, dass man mit seinen gut behüteten Ersparnissen nicht besonders weit kommt, kann man auch nicht einen neuen Versuch verlangen. Oder wenn man nach 40 Jahren bemerkt, dass der so schlau anmutende Mix aus Beton- und Gelbgold, oder die doch so elaborierte Anlagestrategie der prestigeträchtigen Privatbank sogar eine noch geringere Nettorendite erbrachten, als das Sparbuch. Klar, man könnte auch schon nach 20 Jahren stutzig werden und seine Strategie überdenken. Aber die 20 Jahre sind dennoch unwiederbringlich vergangen, und eine zukünftig höhere Rendite, um die verlorenen Renditen der Vergangenheit aufzuholen, ist nur mit höherem Risiko möglich. Da gibt es keine Abkürzung.

Also was tun? Was das Fliegen angeht, braucht man sich keine weiteren Gedanken machen. Es gibt nur sehr wenige, wenn überhaupt, Bereiche, in denen Aus- und Weiterbildung, Qualitäts- und Risikomanagement, sowie effektive Fehlerkultur so ernst genommen werden, wie in der zivilen Luftfahrt.

Bei der Vermögensverwaltung wird es etwas schwieriger: Wie schon, z.B. hier, angemerkt, gibt es nur sehr wenige, wenn überhaupt, Berufsgruppen, an die so geringe Anforderungen gestellt werden, wie an die Vermögensverwalter/-berater. Einen kompakten Leitfanden, der bei der Auswahl hilft, gibt es hier. Man muss sich jedenfalls ein bisschen selbst darum kümmern. Zumindest so viel, dass man die Qualität eines Experten prinzipiell beurteilen kann. Die Angelegenheit gar nicht in Angriff zu nehmen, oder blind einem Experten zu überlassen, sind mit Abstand die riskantesten Optionen.

Man kann all die weiter oben genannten Anforderungen und Maßnahmen vernachlässigen, die ganze Angelegenheit, als Hobbypilot bzw. DIY-Anleger, selbst in die Hand nehmen, und trotzdem sein Ziel erreichen. Mehr oder weniger. Es wird dann aber sehr viel von glücklichen Zufällen abhängen.

In der Regel wird Vermögen dann nicht aufgebaut, weil mit dem verfügbaren (Lebens-)einkommen so wohlüberlegt umgegangen wird, sondern weil das Einkommen irgendwann einfach zu hoch ist. Weil man irgendwann noch mehr gedankenloses Geldausgeben nicht einmal mehr vor sich selbst vertreten kann, und deshalb mit dem Sparen beginnt. Irgendwann, irgendwie.

Vorhandenes Vermögen, wiederum, kann dann in der Regel nur deshalb erhalten werden, weil man tunlichst vermeidet, die reale Nettorendite zu berechnen, und nicht weil man sich so sorgfältig darum gekümmert hat.

Wie auch immer, sehr viel würde von Glück abhängen. Weil man aber bei beiden Herausforderungen nur „einen Versuch“ hat, möchte man ja genau das vermeiden. Man kann ohnehin nicht alles vorhersehen, und das Leben hält ohnehin genügend böse Überraschungen für uns bereit. Da sollen wenigsten all jene ungewünschten Situationen verhindert werden, die man irgendwie verhindern kann. Und zwar möglichst früh.

Die meisten unglücklichen Zufälle sind nämlich gar keine Zufälle, sondern das Ergebnis einer Kette von schlechten Entscheidungen. Kleine Fehlentscheidungen die anfangs immer unscheinbar sind, aber zu weiteren Fehlentscheidungen führen, die dann mit jedem Schritt schwerwiegendere Folgen mit sich bringen.Je früher man solche Entwicklungen erkennt, desto unspektakulärer sind die erforderlichen Gegenmaßnahmen. Je besser der Pilot, desto langweiliger der Flug. Je besser der Vermögensverwalter, desto langweiliger die privaten Finanzen.

Die zivile Luftfahrt ist mittlerweile – zum Glück – schon so langweilig, und kritische Zwischenfälle bei zivilen Flügen so selten geworden, dass Piloten, um nicht aus der Übung zu kommen, regelmäßig sogar so tun müssen, als ob sie in kritische Situationen geraten. Entsprechende Simulatoren für die Kapitalanlage wären natürlich ein Gamechanger, leider gibt es sie noch nicht. Abgesehen, vielleicht, von dieser Idee mit Schlangen, die der legendäre Journalist Jason Zweig in einem Artikel 1hier der Link über Twitter und hier der Artikel in der Zeitmaschineangeregt hat.

Was uns schließlich zum möglicherweise wertvollsten Beitrag eines Piloten, bzw. eines Vermögensverwalters bringt: das Richtige tun, wenn die unendliche Langeweile plötzlich durch Augenblicke des blanken Horrors unterbrochen wird. Weil, wie gesagt: wir haben nur „einen Versuch“.

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