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Vermögensberater auswählen (Teil II)

Ein praktischer Leitfaden

  • Ein guter Vermögensberater muss gut beraten können, gut beraten wollen und sich aktiv vor Interessenskonflikten schützen. Und er sollte Charakter besitzen.
  • (Privat-)Anleger brauchen nicht nach dem „besten“ Berater suchen, es reicht zumindest jene auszuschließen, welche die Mindestvoraussetzungen für eine gute Beratung nicht erfüllen.
  • Persönliche Sympathie ist wichtig, darf aber nicht übergewichtet werden.

Es gibt kein vernünftiges Portfolio, das nicht zeitweise Sorgen, vielleicht sogar kalte Schauer über dem Rücken, bereiten wird. Die einzige Möglichkeit solche Phasen planmäßig zu überstehen besteht darin, genau zu wissen was man aus genau welchen Gründen besitzt. Es gibt keine andere Möglichkeit. Und es gibt nichts Schädlicheres für ein Portfolio, als es aus „irgendwelchen“ Gründen anzupassen, oder seine gutdurchdachten Pläne „instinktiv“ zu ändern.

Daher ist fragen wohl das Wichtigste, das ein Anleger zu tun hat. Es gibt nur eines, das dümmer ist, als etwas nicht zu wissen, nämlich nicht zu fragen. Es gibt außerdem keine dummen Fragen, noch viel weniger, wenn es um (zukünftiges) Vermögen geht. Und schon gar nicht, wenn die Fragen an eine Person gerichtet sind, zu deren Hauptaufgabe es gehört, Klarheit zu schaffen.

Wie ein Berater auf (viele) Fragen reagiert, und wie gut er diese beantwortet ist übrigens schon die erste und einfachste Möglichkeit, Berater zu bewerten. Es spricht auch nichts dagegen, potenziellen Beratern seine Fragen vor dem ersten Gespräch zukommen zu lassen. Das fällt vielen Menschen leichter, und es kann als hilfreiche Gesprächsgrundlage dienen. Manche Menschen fühlen sich wohler, wenn sie bei solchen Gesprächen/Erstgesprächen nicht alleine sind. Auch dagegen spricht nichts, im Gegenteil: Lebenspartner, Familie oder Vertrauenspersonen bereichern oft den Entscheidungsprozess. Insbesondere wenn solche Begleitpersonen auch die Antworten auf die Interviewfragen (s. unten) auch (getrennt) benoten.

Vor einer endgültigen Entscheidung sollte man mindestens drei Berater persönlich kennengelernt haben, besser sind fünf bis sechs. Man sollte sich dabei nicht nur auf persönliche Empfehlungen verlassen, sondern durch Recherche auch selbst einige aussuchen. Das ist heute einfach und wenig aufwändig.

Dabei kann man seine weitere Suche gleich auf jene Berater beschränken, die zumindest die formalen Voraussetzungen besitzen. Also eine einschlägige Ausbildung genossen haben (Wirtschaftsstudium ist gut, besser sind spezifischere Ausbildungen wie CFP – Certified Financial Planner, CFA – Chartered Financial Analyst und Vergleichbares), über gewisse praktische Erfahrung verfügen und sich nicht mit anderen Finanzangelegenheiten befassen (d.h. für Themen wie beispielsweise Kreditvermittlung, Finanzierungen, Versicherungen, etc. an andere Spezialisten verweisen).

Durch diesen Filter fällt der Großteil aller „Berater“ weg, da der Großteil wenig mit Beratung zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um Vermittler, die Verkäufer von (anderen) Finanzprodukten sind und im Rahmen dessen Anlageberatung bieten. Berater die beim Sparen und Anlegen helfen sollen, jedoch, müssen eher Gesundheitsberatern ähneln, und weniger Autoverkäufern. Beide haben ihre Berechtigung, aber es liegen Welten dazwischen.

Vermögensberater haben viele Fragen an Anleger, im ersten – oder auch im zweiten – Gespräch ist es jedoch der Anleger, der Antworten erhalten sollte. Auf der Shortlist befinden sich jetzt hoffentlich nur Berater, die gut beraten können. Ob sie es auch wollen, kann man am besten durch ein strukturiertes Interview erfahren.

Man verlässt sich dabei gerne auf unstrukturierte Interviews, weil diese weniger aufwändig sind und man auch gerne mit „besonderer“ Menschenkenntnis rühmt. Mittlerweile ist allerdings erwiesen, dass das keine gute Idee ist, und außerdem kann man seine Menschenkenntnis ja auch in die Bewertung einfließen lassen. Aber eben strukturiert. Um zu verhindern, dass der persönliche Eindruck alle anderen Kriterien in die Bedeutungslosigkeit verbannt.

Strukturiert bedeutet, dass man im Voraus (a) Fragen formuliert, (b) ihr jeweiliges Gewicht definiert, (c) die ge-/unerwünschten Antworten festlegt und (d), das Ergebnis auf einer Skala (z.B. 1-5) bewertet. Die Antworten sollten während dem Interview und sofort benotet werden, und das (gereihte) Ergebnis sollte dann für die endgültige Entscheidung verbindlich sein.

Man kann das Interview auch als eines von mehreren Entscheidungskriterien verwenden. Wichtig ist auch hier, die Kriterien im Voraus zu gewichten und Bewertungen sofort zu vergeben.

  1. Welche Leistungen bieten sie?
    • Idealerweise ausschließlich Anlageberatung, bzw. Vermögensverwaltung sowie, in Grundzügen, damit verbundene Themen wie Recht, Steuern, etc. Für andere Finanzdienstleistungen sollte an Kollegen, Geschäftspartner oder andere Abteilungen verwiesen werden.
    • Bonus: „Wir sehen unsere Herausforderung im richtigen Einschätzen und Handhaben ihrer Lebenssituation und ihres Verhaltens in Geldangelegenheiten. Die Auswahl von Anlageinstrumenten ist im Grunde nur die einfache Antwort auf die richtigen Fragen.“
  2. Wie werden sie bezahlt?
    • Am besten ausschließlich vom Anleger. Vergütungen von anderen Seiten bergen oft Quellen für Interessenskonflikte.
    • Fixgehalt? Vertriebsprovisionen? Boni? Vergütungsarten zeigen ziemlich genau, wodurch und wie jemand motiviert oder angereizt wird.
    • Die Entlohnung des Beraters sollte möglichst direkt vom langfristigen Erfolg des Anlegers abhängen
  3. Kann ich sie statt prozentuell (% vom verwalteten Vermögen) auch auf Stundenbasis oder pauschaliert bezahlen?
    • Berater die das nicht anbieten, sehen sich vermutlich eher als Verkäufer, nicht Berater. Ihr Fokus liegt auf Finanzinstrumenten, nicht auf der persönlichen Betreuung von Anlegern (s. oben „1.b.“).
    • Finanzvermögen die deutlich unter 100.000 Euro liegen, können bei prozentueller Vergütung für seriöse Berater wirtschaftlich nicht sinnvoll sein. Da entsprechende Anlagelösungen meistens weder komplex, noch besonders wartungsintensiv sein werden, bietet sich hier eine Vergütung auf Stundenbasis/Pauschale an. Eine mehrstündige Erstberatung, gefolgt von Beratungen alle paar Jahre, bzw. nach Bedarf, ist für Berater durchaus wirtschaftlich sinnvoll, und für Anleger in jeder Hinsicht ratsam. Vor allem auch für Anleger, die mit dem Vermögensaufbau gerade erst beginnen.
  4. Erhält ihr Unternehmen Vergütungen von Dritten? Weil sie mich an Partner wie Kreditvermittler, Anwälte oder Steuerberater vermitteln? Oder weil sie mir bestimmte Produkte vermitteln?
    • Die Antwort sollte ein eindeutiges „Nein“ sein. Ist sie das nicht, sollte man gut prüfen, inwieweit solche Vergütungen Interessenskonflikte bergen.
  5. Zahlen sie Provisionen für Kundenempfehlungen?
    • „Nein“
  6. Wie hoch werden die Kosten insgesamt sein, die mir durch ihre Leistungen direkt (Beraterhonorar), aber auch indirekt (Fondsgebühren, Depotspesen, Handelsgebühren, etc.) entstehen werden.
    • Alles was in die Nähe von 1,5% des Anlagevermögens kommt, ist eindeutig zu viel. Je mehr es in die Nähe von 0,5% kommt, desto besser. 1% ist jedenfalls in Ordnung.
    • Es ist wichtig die Kosten zu kennen und sich deren bewusst zu sein. Was allerdings nicht heißt, dass der billigste Anbieter auch der Beste ist.
  7. Sind sie mit Interessenskonflikten konfrontiert? Warum gibt es sie und wie handhaben sie diese?
    1. „Nein“ ist hier eine ungünstige Antwort. Es ist unmöglich, alle Interessenskonflikte auszuschließen. Wichtig ist, sich dieser bewusst zu sein, sie zu minimieren, sie transparent darzustellen und nach Möglichkeit zu kontrollieren.
  8. Warum soll ich mit ihnen arbeiten, und nicht mit einem Mitbewerber?
    • Eine Möglichkeit zu erkennen, welche seiner Leistungen der Berater als besonders wertvoll für Anleger erachtet.
  9. Kann ich die Lebensläufe all jener erhalten, mit denen ich direkt zusammenarbeiten werde? Was zeichnet sie für die jeweilige Position aus?
    • „Ja“
  10. Bin ich für sie ein typischer Anleger, oder ist mein Anlegerprofil für sie eher eine Ausnahme.
    • Es wäre günstig, wenn der Berater hauptsächlich mit Anlegern beschäftigt ist, die ein ähnliches Profil haben und auf ähnlichen Lebenswegen sind.
    • Wie prüfen sie die Effektivität ihres Angebots? Können sie diese belegen?
    • Bonus: können sie mir die (anonymisierte) Vermögensentwicklung von einigen bestehenden Anlegern über die letzten (min. 5, besser 15) Jahre zeigen?
  11. Wie hoch wird die Rendite sein, die ich am Kapitalmarkt langfristig erwarten kann? Nach Abzug aller Kosten und der Inflation.
    • Mehr als 5% p.a. sollte man nicht erwarten. Eher um 4% herum. Man sollte auch die Steuern nicht vergessen, die die Rendite um etwa einen weiteren Prozentpunkt reduzieren.
    • Deutlich abweichende Antworten sollten sehr, sehr große Bedenken auslösen.
  12. Wie beschreiben sie ihre Investmentphilosophie?
    • „Wir wollen nicht den Markt schlagen. Ein solches Vorhaben wäre mit zu vielen und zu hohen Risiken für unsere Anleger verbunden.“
    • „Wir wollen nicht die absolut beste Rendite bieten, sondern jene, die am besten zum jeweiligen Anleger passt und gleichzeitig die geringsten Risiken birgt. Dazu verwenden wir möglichst einfache und möglichst günstige Anlagelösungen. Wir versuchen nicht, zukünftige Entwicklungen vorherzusehen, sondern auf jegliche Entwicklung vorbereitet zu sein.“
  13. Haben sie Prozesse für ihre Anlagestrategien eingerichtet und verbindlich festgelegt? Schriftlich?
    • Beim Anlegen handelt es sich im Kern um Entscheidungen unter Unsicherheit. Solche Entscheidungen sollten sich unbedingt nach verbindlichen Prozessen richten.
    • Gute Prozesse können zu schlechten Ergebnissen führen, und schlechte Prozesse zu guten Ergebnissen. Prozesse sind bei Entscheidungen unter Unsicherheit trotzdem immer überlegen.
  14. Wie definieren sie Risiko?
    • Wenn sich die Antwort hauptsächlich um Volatilitäten1Ausmaß der Schwankungsbreiten der Finanzmärkte dreht, dann ist das ungenügend.
    • Volatilität ist eines der kleineren unter vielen andern Risiken. Risiken sind die Währung, mit der man für Renditen bezahlt. Man kann nicht alle ausschalten. Man darf sie aber nur dann eingehen, wenn man sie tatsächlich versteht und sich auf ihre Auswirkungen vorbereitet hat.
  15. Wie oft wird mein Portfolio angepasst werden? Auf welchen Grundlagen?
    • Selten, schon einmal pro Jahr ist nicht wenig.
    • „Wir machen regelmäßige Anpassungen, um die Zusammenstellung eines Portfolios wiederherzustellen. Das sogenannte Rebalancing. Das geschieht grundsätzlich etwa einmal pro Jahr, oder wenn es sehr starke Marktbewegungen gibt.  Und wir machen Anpassungen, wenn sich ihre Lebensumstände ändern. Das geschieht anlassbezogen (Beruf, Familie, etc.), bzw. entsprechend ihrem Alter.“
  16. Wie legen Sie selbst ihr Vermögen an? Wer verwaltet ihr eigenes Vermögen?
    • „Ich lege es in der gleichen Weise an, wie ich es auch Anlegern empfehle.“
    • „Ich verwalte mein Vermögen selbst (lasse meine Entscheidungen aber regelmäßig von Vertrauenspersonen überprüfen).“
    • Wie überall gilt auch hier: Es ist gut zu wissen, was Menschen empfehlen. Besser ist es zu wissen, was sie tun.

Abschließend zwei Fragen an sich selbst:

  1. Kommunikation
    • Wurden meine Fragen klar und einfach beantwortet? (JA)
    • Wurden viele Fachausdrücke und Phrasen verwendet? (NEIN)
    • War der Berater froh, dass ich so viele Fragen stelle? (JA)
  2. Sympathie
    • Man sollte sich mit dem Berater wohl fühlen, einen Draht finden können und sich auf ein Wiedersehen freuen können. Vertrauen Sie Ihrem allerersten Eindruck, lassen Sie Ihrem Instinkt freien Lauf! Die Logik ist schon mit den Interviewfragen abgedeckt.
    • Es ist im besten Fall eine lebenslange Beziehung, die sich aus Vertrauen und Wertschätzung nährt.
    • Hier geht es um Bauchgefühl. Ein sehr wichtiger Faktor, aber nicht vergessen: er ist nur einer von Mehreren.

Ist man hier angelangt, hat man schon das meiste geschafft. Der gewählte Berater befindet sich ziemlich sicher unter den Top 20%. Mehr ist für eine überdurchschnittlich Betreuung nicht erforderlich. Nicht zuletzt, weil die Planung der privaten Finanzen und die Umsetzung von Anlagelösungen zwar kompliziert sein können. Aber man muss keine seltenen Talente besitzen oder gar ein Genie sein, um diese Herausforderungen gut zu meistern.

Was, so wie in allen Berufen, den Unterschied zwischen „gut“ und „hervorragend“ ausmacht, ist …

Wirtschaften sollte bedeuten, der Gesellschaft etwas Wertvolles zu bieten. Gelingt das, so erhält man dafür Profite. Nicht umgekehrt.

Insbesondere in den Finanzwissenschaften gibt es keine Wahrheiten, sondern nur (vage) Vermutungen. Die meisten Dinge kann man nicht wissen, einige wenige Dinge kann man bestenfalls stark vermuten. Es erfordert Erfahrung, fundiertes Wissen und Charakter, um das bereitwillig zugeben zu können.

Der Kunde ist König. Anleger sind jedoch keine Kunden, sondern vertrauen sich Beratern in einem sensiblen Lebensbereich an. Es erfordert Charakter, gewissen Forderungen von Anlegern zu widersprechen oder gewissen Wünschen nicht zu folgen, wenn es ihren Interessen offensichtlich widerspricht. Es erfordert insbesondere dann Charakter, wenn ein solches Vorgehen eben nicht im Interesse des Beraters ist.

Solche Berater sehen ihre Tätigkeit nicht primär als Geschäft, sondern als Profession.

„Wie immer, wenn wir Entscheidungen unter Unsicherheit treffen, gilt auch hier: Was eine gute Entscheidung ausmacht, ist nicht, dass sie ein gutes Ergebnis hat. Eine gute Entscheidung ist das Ergebnis eines guten Prozesses, und dieser Prozess muss den Versuch beinhalten, unseren eigenen Wissensstand genau darzustellen“
_ (frei nach) Annie Duke

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