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Die Finanzbranche ist eine ziemlich einzigartige Branche

Es gibt wohl keine vergleichbare:

Es ist irgendwie verständlich, dass Menschen die Integralrechnung, Chemie oder Quantenphysik nicht besonders anziehend finden. Der Großteil kommt auch ohne die Beherrschung dieser Disziplinen recht gut im Leben voran.

Finanzwesen ist jedoch etwas anderes, da das Wohlergehen jedes Einzelnen vom Verständnis dieser Disziplin abhängt – egal wie langweilig es jemand auch finden mag. Jeder hat sich und seiner engeren Familie gegenüber die Verpflichtung, sich mit den wichtigsten Grundlagen des Finanzwesens vertraut zu machen.

Beispielsweise die Funktion des Geld- und Kreditwesens, die Auswirkungen von Sparen oder Krediten auf das eigene Leben, oder auch die grundlegenden Mechanismen der Kapitalmärkte. Wenige Themen (mit Ausnahme der Gesundheit) besitzen eine so hohe Bedeutung für das Leben jedes Menschen, und dennoch befassen sich so wenige mit diesem Thema laufend und eingehend.

Jeder hat eine Ahnung davon, wie umfangreich die Aus- und (laufende) Weiterbildung von Medizinern, Anwälten, Baumeistern oder Piloten ist. Aber soweit braucht man gar nicht zu gehen. Sogar die erforderliche Ausbildung jedes Friseurs, Tischlers oder Taxifahrers ist deutlich umfangreicher, als die eines Vermögensverwalters.

Wenn man bei der Eisenbahn eine Lok bedienen will, muss man eine umfangreiche Ausbildung absolvieren. Wenn man jedoch das Vermögen der Versicherungsanstalt der Eisenbahner verwalten will, benötigen man nicht bedeutend mehr als einen Anzug und Überzeugungskunst. Das Verkaufen von Finanzprodukten, andererseits, erfordert eine Zulassung, die an gewisse Voraussetzungen gebunden ist – auf die allerdings niemand wirklich stolz sein dürfte.

Keiner anderen Branche, die einer Gesellschaft so viel Schaden zufügen kann, wird so wenig nachweisliche Kompetenz abverlangt.

In der Finanzbranche sind zu einem erschreckend großen Teil Personen tätig, die nachweislich eine ausgesprochen schlechte Leistung erbracht haben – und trotzdem weiterhin selbstbewusst in den Hierarchien aufsteigen.

Nur wenige Aktienfonds(-manager) können eine Geschichte aufweisen, die 20 Jahre übersteigt. Von diesen wenigen übertreffen nur die wenigsten ihre Benchmark. Also den Index, an dem sie sich orientieren (sollten). Wenn sie es schaffen, dann ist der Mehrertrag (Outperformance) praktisch nie so hoch, dass er die für Investoren damit verbundenen Mehrkosten rechtfertigen könnte.

Der „Templeton Growth (Euro) Fund“, beispielsweise (er ist keine Ausnahme und wird hier vollkommen zufällig angeführt), den es seit über 20 Jahren gibt (Auflagedatum 9.8.2000) und der mit seiner Verwaltung jährlich Kosten von 1,84% verursacht. Seine  jährliche Rendite über diese ~20 Jahre beträgt 3,10%. Die Rendite seiner Benchmark, dem Index, der die durchschnittliche Marktrendite widergibt, beträgt hingegen 5,10%. Für einen Investor bedeutet das (seit Auflage) +92% statt +295%, beziehungsweise einen um mehr als 3x geringeren Ertrag. Diesem Fonds werden trotzdem noch immer über 6,5 Milliarden Euro anvertraut.

In welcher anderen Branche ist es vorstellbar, weiterhin jedes Jahr mehr als 120 Millionen Euro (1,85% von 6,5 Mrd.) für eine solche Leistung zu verrechnen?

Es liegt vermutlich auch daran, dass die Mitglieder dieser Branche es – wie auch immer – geschafft haben, nahezu jegliche Gebühren automatisch abzuziehen, und sie so aus dem Bewusstsein der Kunden zu verdrängen.

Fragen Sie beliebige Personen und alle werden ziemlich genau wissen, wieviel Geld sie für Treibstoff, Mobiltelefon, oder ihren Kabelanschluss ausgeben. Aber keine einzige Person wird im Stande sein, Ihnen auch nur annähernd zu sagen, was sie für die Verwaltung ihrer Ersparnisse/Vermögen bezahlen.

Die Kosten der Vermögensverwaltung stellen bei einer einigermaßen vermögenden Person mit Sicherheit den größten Posten der jährlichen Ausgaben dar, aber sie ist sich dessen nicht bewusst. Wo, bitte, gibt es so etwas sonst noch?

Dass Schüler das Periodensystem auswendig lernen müssen, aber nicht die wichtigsten Grundlagen der Finanzwirtschaft vermittelt bekommen, ist schlimm genug. Aber sogar in höheren Bildungsstufen wird Finanzwesen in einer Art vermittelt, die wenig mit der wirklichen Welt zu tun hat. Es wird überwiegend als mathematisches Fach verstanden, in welchem Studenten lernen eine Bilanz im Schlaf zu zerpflücken, oder das beta einer Aktie im Kopf zu kalkulieren.

In der wirklichen Welt, jedoch, wird das Finanzwesen aber vor allem von psychologischen Faktoren bestimmt, wo die besten Investoren die sind, die ihre Emotionen beherrschen können. Das wird selten gelehrt und niemals mit Nachdruck vermittelt. Und das dürfte auch der Grund dafür sein, dass die erfolgreichsten Investoren meistens keine formale Bildung in Finanzwissenschaften genossen haben. Andere Disziplinen, wie Medizin oder auch Maschinenbau, bereiten ihre Studenten weitaus besser auf die wirkliche Welt vor.

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