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Effektive Finanzbildung

ich hatte während meiner gesamten Studentenjahre, und auch während der ersten Jahre meiner Berufstätigkeit, meinen Überziehungsrahmen mit erstaunlicher Konsequenz bis zum Limit ausgeschöpft. Es gab einige Unterbrechungen dieses Zustands, aber es dauerte nie lange, bis ich den „Normalzustand“ wieder hergestellt hatte. Was den Umgang mit Geld in jungen Jahren angeht fällt mir keine Verhaltensweise ein, die dämlicher ist. Und das, obwohl ich mich zu einer der höheren Bildungsschichten zählen muss. Und ich außerdem mein Studium an einer Wirtschaftsuniversität abgeschlossen habe. Wie kann das sein?

Vielleicht, weil sich schon vom Kindergartenalter an alles nur darum dreht uns mit Fähigkeit auszustatten, mit denen wir Geld verdienen können. Und zwar für mindestens zwei Jahrzehnte lang und in ziemlich intensiver Weise. Wie wir dann mit diesem verdienten Geld am besten umgehen können, lernen jedoch nur mit viel Glück: falls wir zu der kleinen Minderheit gehören, deren Eltern Wert darauf legen.

Aus unbekannten Gründen geht jeder davon aus, dass man den Umgang mit Geld und Vermögen nicht lernen braucht. Interessanterweise ist diese Ansicht umso stärker, je höher das eigene Einkommen, bzw. Vermögen ist. Obwohl das Verdienen von Geld und das Verwenden von Geld vollkommen unterschiedliche Paar Schuhe sind.

Das ist dann kein großes Problem, sondern nur sehr ärgerlich, wenn man mindestens zu der oberen Mittelschicht gehört. Als Teil dieser Einkommensgruppe wird man auch durch einige finanzielle Fehlentscheidungen, sogar gröbere, nicht gleich in den finanziellen Ruin getrieben. Alle anderen, grob geschätzt 25% der Bevölkerung, die ohnehin auch in vielen anderen Hinsichten benachteiligt sind, dürfen sich keinen einzigen Fehltritt erlauben. Trotzdem bekommen sie nur mit viel Glück bildungsmäßige Unterstützung (und genießen nur einen lächerlichen gesetzlichen Schutz).

Je mehr ich mich mit Finanzbildung, bzw. „financial literacy“, beschäftige, desto stärker bin ich davon überzeugt, dass auf diesem Gebiet dringendst etwas unternommen werden muss. Verglichen mit der durchschnittlichen Gesundheitskompetenz befinden wir uns bei der Finanzkompetenz, grob geschätzt, im Mittelalter.

Die Gründe dafür sind für eine Gesellschaft eigentlich beschämend, aber hier nicht das Thema. Was ich hier ansprechen möchte ist meine Befürchtung, dass sich „Finanzbildung“ in Trivialitäten verliert.

Was soll Finanzbildung bewirken?

  1. In allererster Linie finanzielles Leid ausschließen
  2. Wenn möglich, finanzielles Wohlbefinden erhöhen

Natürlich wäre es schön, wenn jeder die Sicherheitsmerkmale der Euro-Banknoten kennen würde, wissen würde, wie man Überweisungen veranlasst, was Dauer- und Einziehungsaufträge sind, oder wie man ein Haushaltsbuch führt. Um jedoch finanzielles Leid rasch, effektiv und spürbar zu mindern,  muss man sich nur um die wenigen „Gorillas im Raum“ kümmern. Am besten man beginnt beim größten „Gorilla“, den Konsumkrediten. Das größte Leid, in finanzieller Hinsicht, entsteht wohl durch Konsumkredite

Kredite sind zweifellos eine hervorragende Erfindung unseres Wirtschaftslebens. Unter der Voraussetzung, dass sie für Investitionen eingesetzt werden, also für den Kauf von Dingen, die das Potenzial von Renditen in sich tragen. Werden sie jedoch für Konsumausgaben eingesetzt, sind sie toxisch. Sowohl für die finanzielle Lage der Kreditnehmer, als auch – langfristig – für eine Volkswirtschaft insgesamt. Die höchste Priorität muss folglich der Eindämmung von Konsumkrediten gelten. Es gibt einfach keinen einzigen schlüssigen Grund, der für die Vergabe von Konsumkrediten sprechen könnte.

Konsumkredite sind für das finanzielle Wohlbefinden das, was raffinierter Zucker für das körperliche Wohlbefinden ist. Die Versuchung ist folglich groß, sie einfach zu verbieten. Gerechtfertigt wäre ein solches Verbot allemal. Mit Bevormundung hat jedoch noch niemand gute Erfahrungen gemacht und Verbote bringen immer negative Begleiterscheinungen mit sich. Ganz abgesehen von der hartnäckigen Gegenwehr, die von den aktuellen Profiteuren erwartet werden muss.

Viel besser wäre ein verpflichtendes Aufklärungs-/Bildungsseminar für Antragsteller von Konsumkrediten, womöglich sogar mit Abschlussprüfung. Die Teams der Schuldnerberatung sind hierfür wahrscheinlich am besten geeignet. Die rasche Umsetzung wäre denkbar einfach, würde aber auch am Widerstand der aktuellen Profiteure scheitern, und mehrere Jahre bis zur Verwirklichung in Anspruch nehmen.

So, wie man sich im Fall von Zucker keine Unterstützung von der Lebensmittelindustrie (und in Folge der Politik) erwarten kann, darf man sich auch bei Konsumkrediten keine ernsthafte Unterstützung von der Finanzindustrie (bzw. Politik) erwarten. Nicht etwa, weil die Lebensmittelindustriellen oder Politiker besonders böse Menschen sind, wohlgemerkt! Sondern weil sei eben nur Menschen sind.

„Es ist schwierig, einen Menschen dazu zu bringen etwas zu verstehen, wenn sein Gehalt davon abhängt, es nicht zu verstehen.“
_ Upton Sinclair

Als wirkungsvolle und rasch umsetzbare Maßnahme bleibt somit nur beständige Überzeugungsarbeit. Was viele Initiativen schon jetzt unermüdlich bereitstellen. Aber, meiner Erfahrung nach, eben viel zu wenig fokussiert. Damit finanzielles Leid rasch und effektiv eingedämmt, bzw. verhindert wird, muss sich Finanzbildung zu einem überwiegenden Großteil (80%?) auf Konsumkredite konzentrieren.

Konkret: (a) was führt zu Konsumkrediten; ein faszinierendes Thema, das wenig mit Wirtschaft und viel mit Psychologie zu tun hat, und (b) was bewirken Konsumkredite; tragische Schicksale, die eigentlich leicht zu vermeiden wären und von denen die Schuldnerberatung vermutlich unendlich lange erzählen kann.

Die verbleibenden 20 % der Finanzbildung sollten sich auf das finanzielle Wohlbefinden und, wenn es die Ressourcen erlauben, auf allgemeinere finanzpolitische Themen konzentrieren. Mit Letzterem aber nur als eine Art „Kür“, da die persönliche finanzielle Situation nur sehr indirekt durch entsprechende Bildung beeinflusst werden kann.

Ein naheliegendes Thema im Zusammenhang mit Finanzpolitik wäre jedenfalls die grundlegende Grundlage unseres Wirtschaftssystems: Geld. Damit endlich mehr Menschen verstehen, was unser Geld eigentlich ist, und in Folge z.B. beurteilen können ob und warum Inflation wünschenswert ist. Oder was an Kryptowährungen möglicherweise doch nicht so toll ist.

Was das finanzielle Wohlbefinden betrifft (also die verbleibenden 20%), so können auch hier zwei Kernthemen sehr viele Schuljahre füllen. Nämlich Konsumverhalten, eng verwandt mit Punkt (a) oben, und Vermögensverwaltung.

Beim Konsumverhalten geht es um viele spannende Bereiche der Psychologie und um die (auf den ersten Blick) einfache Tatsache, dass es nur einen einzigen Weg zum Vermögensaufbau gibt: indem man weniger ausgibt, als man einnimmt. Egal wieviel man einnimmt.

Das Thema Vermögensverwaltung ist nicht weniger spannend, aber vermutlich jenes mit den sensibelsten Kontroversen. Es gibt hier keine allgemein anerkannten Vorgehensweisen und schon gar keine Einheitslösungen. Private Vermögensverwaltung ist nämlich vor allem eines: sehr individuell. Und vor allem geht es hier ums Eingemachte: um Macht und Geld. Um sehr viel Macht und sehr viel Geld.

Finanziell unabhängige Bürger sind weder für Arbeitgeber, noch für Arbeitnehmervertreter, und leider auch nicht für Politiker ein erstrebenswertes Ziel.

Und auch nicht für die Finanzindustrie: Vermögende Bürger gehören zu der Haupteinnahmequelle (neben den Konsumkrediten) der Finanzindustrie (im Privatkundengeschäft). Informierte Anleger würden diese Einnahmequelle drastisch schmelzen lassen.

Das Beste, das man jungen Menschen in diesem Zusammenhang mit auf den Weg geben kann ist daher: Ihr seid da auf euch selbst gestellt, aber bitte kümmert euch darum! Informiert euch!

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