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Was bewegt Aktienkurse?

Börsen sind eigentlich Kasinos, denn Aktienkurse bewegen sich völlig zufällig. Und immer wenn es nicht zufällig ist, dann können nur «Insider» das große Geld machen.

Oder wie sonst kann man sich erklären, so der Tenor, dass ein Unternehmensriese wie META innerhalb von Stunden 25% an Wert verliert (am 3.2.2022)? Das entspricht immerhin $232 Milliarden, oder etwa dem Doppelten der Marktkapitalisierung des größten deutschen Unternehmens (SAPcap am 3.2.2022: ~$120 Mrd.).

Und das nur, weil im letzten Quartal der Gewinn pro Aktie um 5% geringer ausfiel, als erwartet!?

Oder, wie kann man erklären, dass ein Unternehmen etwas entdeckt, das die Welt rettet, und ab diesem Zeitpunkt nur noch an Wert verliert? Wie zuletzt geschehen mit Biontech, dessen Aktienkurs von $450 im August 2021 auf aktuell unter $100 gesunken ist. Ein Verlust von ~80% innerhalb von nur 21/2 Jahren! Das kann doch wohl nicht mit rechten Dingen zugehen!?

Solche Aussagen hört man immer wieder von Leuten, die entweder (a) für sich selbst Erklärungen suchen, warum sie nicht in Aktien investieren, oder (b) Geld am Kapitalmarkt verloren haben, weil sich Aktienkurse, angeblich, absolut irrational entwickelt haben.

Bei genauerem Hinsehen stellt sich bald heraus, dass es sehr wohl sachliche Erklärungen für solche Vorgänge gibt. Und dass hinter Entwicklungen, wie jene bei Biontech (oder eben auch AMC oder GameStop), weniger Börsenprofis oder Insider stecken, als vielmehr eine breite Masse von Amateuren.

Dazu muss man sich die drei Faktoren genauer ansehen, die die Kurse von Aktien, also den Preis von Unternehmen, im Wesentlichen bestimmen:

  1. Die Ertragskraft des Investition
  2. Die Erwartungen der Investoren
  3. Das allgemeine Zinsniveau

Ertragskraft

Wenn Menschen großen Anschaffungen tätigen, gehen ihnen Gedanken wie «Was will ich?» – «Will ich es wirklich?» – «Kann ich es mir leisten?». Durch den Kopf. Die Rendite des Kaufobjekts spielt dabei keine Rolle. In der Regel ist man zufrieden, wenn eine solche Anschaffung ihren Wert behält (leider wird meistens nur an den nominellen Wert gedacht, und die Inflation »übersehen«). Eine potentielle Rendite ist höchstens ein Bonus, eine möglicherweise fehlende, oder sogar negative Rendite ist selten ein Kaufhindernis.

Wenn nicht wirtschaftliche Überlegungen, sondern persönliche Wünsche, Vorlieben und Bedürfnisse die Entscheidungsgrundlage bestimmen, dann gibt es weder Grenzen noch sachliche Erklärungen für bezahlte Preise1Beispiele dafür gibt es viele, einige prominente sind die Villa Léopolda, das Gemälde Salvator Mundi, oder der MB SLR 300 Uhlenhaut.

Die Preisobergrenze wird alleine davon bestimmt, wieviel Geld man zur Verfügung hat, und inwieweit man persönlich bereit ist, Geld für eine bestimmte Sache auszugeben.

Was grundsätzlich sympathisch ist, denn dazu ist Geld ja eigentlich da.

Wenn man Geld allerdings nicht für seinen eigentlichen Zweck verwendet, sondern um damit Geld zu verdienen, dann steht ausschließlich die Ertragskraft einer Investition im Mittelpunkt.

Für professionelle Investoren, also jene Menschen, die mit Geld Geld verdienen wollen, stellt sich eine einzige Frage: «Welchen Preis rechtfertigen die zu erwartenden Erträge der Investition?»

Für einen Investor ist es uninteressant, wieviel ein Investitionsobjekt, ob Immobilie, Unternehmen, oder was auch immer, in der Herstellung gekostet hat. Oder wie modern, fortschrittlich, begehrenswert oder schön es ist. Entscheidend ist alleine, ob man damit zukünftig Geld verdienen kann. Und der Preis, den der Investor bereit ist zu bezahlen, richtet sich einzig und alleine danach, wie hoch dieser Gewinn sein wird.

Was grundsätzlich unsympathisch ist, aber der bislang einzige bekannte Weg ist, um Ressourcen sowohl entsprechend den Wünschen der Menschen, als auch ressourcenschonend zu verteilen.

Die Preisobergrenze wird im ersten Schritt jedenfalls alleine davon bestimmt, wie hoch der absehbare absolute Gewinn ist. Das kann man recht gut am Beispiel von Staatsanleihen sehen:

Sind von einer Staatsanleihe2sie werden allgemein als die sicherste Investition angesehen jährliche Gewinne von €10.000 zu erwarten, und fordert eine Investorin von dieser Investition ein Rendite von mindestens 5%, dann wird sie für diese Anleihe höchstens €200.000 bezahlen (10.000/5%=200.000).

In welcher Form der Jahresgewinn anfällt, ist dabei vollkommen gleichgültig: Kupons von Anleihen, Mieteinnahmen, Wertzuwachs (z.B. einer Immobilie), Dividendenausschüttung, Aktienrückkauf, Reinvestitionen, Goodwill, u.Ä.m.

Diese Denkweise ist übrigens der Grund dafür, dass viele Profis, auch sehr prominente und erfolgreiche3wie etwa Warren Buffet: «You could take all the gold that’s ever been mined, and it would fill a cube 67 feet in each direction. For what that’s worth at current gold prices, you could buy all — not some — all of the farmland in the United States. Plus, you could buy 10 Exxon Mobils, plus have $1 trillion of walking-around money. Or you could have a big cube of metal. Which would you take? Which is going to produce more value?», behaupten, dass Gold, Kunst oder andere alternative Anlageobjekte genau genommen keinen objektiven Wert besitzen. Sie sind schließlich nur deshalb wertvoll, weil es Menschen gibt, die das glauben.

Was logisch klingt, allerdings gibt es mindestens ebenso treffende Gegenargumente. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass die Menschheit schon seit etwa 5.000 Jahren das «Hirngespinst» Gold mit sich tragt, die erste Aktiengesellschaft aber erst vor weniger als 500 Jahren gegründet wurde und heute gar nicht mehr existiert. Und nicht zuletzt weiß man ja, dass «Das, was messbar ist, oft irrelevant ist, und das, was wirklich relevant ist, oft nicht gemessen werden kann.»(George Vaillant)

Wenn sich Anleihenkurse bewegen4bleiben wir hier mal bei den gefragtesten, wie US-Treasuries oder Bundesanleihen, dann tun sie das in erster Linie, wenn sich das vorherrschende Zinsniveau verändert. Die Renditeanforderungen der Anleger ändern sich nämlich quasi im Gleichschritt mit dem von Zentralbanken gesteuerten Zinsumfeld.

Zinsniveau

Resultiert das aktuelle Zinsniveau in einem 10-Jahres-Zinssatz von 4%, dann wird eine Euro-Anleihe mit 10 Jahren Laufzeit und einem Kupon5jährliche Zinszahlungen in der Höhe von €4 bei 100 notieren. Hebt die Zentralbank den Leitzinssatz so, dass sich nun ein 10-Jahreszinssatz von 5% ergibt, werden sich Anleger nicht mehr mit 4% zufrieden geben, sondern die nunmehr üblichen 5% fordern. Ihre Forderung wird erfüllt, indem der Kurs der Anleihe entsprechend sinkt. In diesem Fall, grob gerechnet, auf 80. Bei diesem Kurs entspricht nämlich der Kupon in der Höhe von €4 einer Rendite von 5%64:5%=80. Genauso wirken sich Zinsänderungen auch auf Unternehmensbewertungen, bzw. Aktien aus.

Durch Leitzinsänderungen werden Aktienkurse so, unabhängig von anderen internen oder externen Unternehmenseinflüssen, insgesamt auf ein höheres/tieferes Niveau angehoben/abgesenkt. Der Effekt ist, wie im folgenden Abschnitt dargestellt, umso stärker, je größer der Anteil der Erwartungen an einem Aktienkurs ist.

Der Grund, warum Aktienkurse deutlich stärker schwanken als Anleihenkurse liegt zum einen daran, dass die Ertragskraft bei Letzteren bekannt ist und sich nicht ändert (Kupon) und dass das Risiko, dass man sein investiertes Kapital nicht zurückbekommt praktisch nicht existiert7entsprechend der vorherrschenden Annahme, v.a. wenn es um US-/ oder EU-Staatsanleiehen geht.

Das trifft bei Aktien nicht zu: Es ist weder sicher, dass man sein investiertes Kapital zurückbekommt, noch genau absehbar, wie hoch die Wertsteigerung im kommenden Jahr sein wird.

Zum anderen liegt es daran, und zwar hauptsächlich daran, dass man schon gar nicht weiß, wie sich das Unternehmen über die kommenden 20 Jahre entwickeln wird. Die Schwankungen8die Volatilitäten bei Aktien sind deshalb nicht nur höher, sondern viel höher. Und zwar umso höher, je breiter das Spektrum der zukünftig wahrscheinlichen Wertsteigerungen ist.

Erwartungen

Wie breit dieses Spektrum ist, wird von den Erwartungen der Investoren bestimmt. Erwartungen, wohlgemerkt, nicht Informationen.

Informationen sind bei der Preisfindung für sich gesehen irrelevant9Auch wenn heute noch immer, und auf verschiedene Weisen, auf die Markteffizienzhypothese zurückgegriffen wird und diese sogar als Fundament des passiven Investierens angesehen wird. Entscheidend ist, wie Investoren Informationen bewerten, also welche Meinungen sie daraus bilden und welche Erwartungen sie in ihnen hervorrufen.

Es gibt Unternehmen, bei denen Erwartungen wenig Platz haben. Alteingesessene Versorger oder Konsumartikelhersteller, Unternehmen wie Coca-Cola, Nestlé oder Unilever. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich hier großartige (relative!) Veränderungen der Einkommenssituation ergeben sind gering und niemand hegt diesbezüglich große Erwartungen. Der Aktienkurs wird sich an den Ergebnissen der Vergangenheit orientieren, und größere Kursbewegungen werden in der Regel nicht durch unternehmensinterne, sondern durch gesamtwirtschaftliche oder politische Veränderungen hervorgerufen.

Solche Unternehmen sind die Lieblingskandidaten von sogenannten Value-Investoren. Investoren, die stolz darauf sind, dass sie sich nicht auf Spekulationen über »mögliche« zukünftige Entwicklungen einlassen, sondern ihre Entscheidungen konsequent auf Grundlage belegbarer Fakten treffen. Eine vernünftige Strategie, die allerdings in Kauf nimmt, dass großartige Unternehmen wie Amazon, Alphabet, Apple oder auch Netflix oder Nvidia, erst sehr spät, wenn überhaupt, Berücksichtigung geschenkt werden kann.

Solche Wachstumsaktien (growth stocks) beziehen den überwiegenden Teil ihres Werts nicht aus bestehenden Ertragszahlen, sondern aus ihrem erwarteten Ertragswachstum.

Wenn sich ein Investor strikt an die Fakten hält, dann wird für ein Unternehmen, das seinen Wert im Vergleich zum Vorjahr um €10.000 steigern konnte, maximal €100.000 zu zahlen bereit sein (weil er eine Rendite von 10% p.a. fordert). Er wird so jedoch ziemlich sicher nie zum Zug kommen. Weil es nämlich andere Investorinnen gibt, die das Unternehmen genauer analysiert haben und erkennen konnten, dass der Wert des Unternehmens im kommenden Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um €10.000, sondern um beispielsweise €13.000 steigen wird.

Der Wert des Unternehmen nächstes Jahr also bei €130.0001013.000/10% liegen wird. Und es somit durchaus vernünftig ist, vielleicht nicht €130.000, aber immerhin erheblich mehr als €100.000 für das Unternehmen zu bezahlen.

Diese Analystinnen werden dann sehr bald noch weiter in die Zukunft hinausgeschaut haben, und vielleicht zu der Meinung gelangt sein, dass dieses Unternehmen sogar über die kommenden 20 Jahre eine Wachstumsrate von 30% aufweisen wird. Grob abgekürzt und vereinfacht werden diese Analystinnen den Ertrag des Unternehmens mit der Wachstumsrate von 30% über 20 Jahre aufzinsen und den erhaltenen Betrag dann mit der Rendite, die sie fordern, z.B. 15% p.a.(statt 10%, weil das Vorgehen nun doch riskant ist), abzinsen. Der aktuelle Wert des Unternehmens wäre mit dieser Berechnung nicht €100.000 oder €200.000, sondern sogar knapp €800.000.

Und sie werden diesen Preis empfehlen, und die Portfoliomanager werden ihn bezahlen, denn das ist ihre Aufgabe, dafür werden sie bezahlt, und wenn sie es nicht tun, werden es andere tun (und sie werden entlassen).

Bei einem so hohen Anteil von Erwartungen im Aktienpreis und so ausgereizten Bewertungen, wirken sich schon kleine Änderungen im Umfeld oder im Risikoappetit von Anlegern massiv aus. Denken Investoren plötzlich, dass es vielleicht besser wäre eine Jahresrendite von 16% zu fordern, statt 15%, weil das Investment ja doch sehr riskant ist, wird der Aktienkurs, den vorherigen Berechnungen zufolge, um etwa 21% fallen. Oder das Unternehmen verlautbart, dass es für das abgelaufene Jahr mit einer Gewinnsteigerung von 27%, statt 30% (-10%), rechnet.  Der Aktienkurs würde dann nicht um 10% oder 20% sinken, sondern um mindestens 40%.

Auch wenn Aktienkurse manchmal absurd hoch erscheinen, sie beruhen in der Regel auf äußerst elaborierten Modellen. Modellen, die von einer Finanzindustrie entworfen und betrieben werden, die jährlich hunderte Milliarden Dollar ausgibt, um treffende Prognosen zu erstellen.

Niemand, auch nicht die besten Analysten oder Brancheninsider, kann mit Gewissheit vorhersehen, wie sich Unternehmen zukünftig entwickeln werden und Investoren passen ihre Annahmen und Modelle laufend an. Je größer das Spektrum der möglichen Entwicklungen, desto »nervöser« der Aktienkurs und desto höher die Kurschwankungen, bzw. die Volatilität.

Steve Ballmer 2007

Es ist allerdings nicht so, dass hohe Volatilitäten zwingend zu hohen Renditen führen. Auch die besten Experten können falsch liegen. Stellt sich nach 20 Jahren heraus, dass das Unternehmen vom vorherigen Beispiel nicht 30% p.a. gewachsen ist, sondern »nur« 20% p.a., dann wird die jährliche Rendite mit 6,15% gerade einmal die Hälfte dessen ausgemacht haben, was man mit »langweiligen« Value-Aktien hätte verdienen können.

Höhere Renditen bedingen jedoch zwangsweise höhere Volatilitäten, da es solche Renditen eben nur in Verbindung mit Ungewissheit geben kann.

Das Wichtigste, das man sich von hier hoffentlich mitnehmen kann, ist die Erkenntnis, dass Kapitalmärkte extrem kompetitiv sind. Dass es heute an keiner größeren Börse Aktienkurse gibt, in die nicht schon alle denkbaren Erwartungen eingeflossen sind, und die nicht mit den kühnsten Modellen bewertet sind. Kris Abdelmessih hat das kürzlich in einem Beitrag (My grandma is $24.05 bid, stop embarrassing yourself; eher nur für sehr Interessierte) eindrucksvoll beschrieben.

Die Bewertung von BioNTech im Frühling 2020 bei €40 hatte schon die mutigsten Erwartungen berücksichtigt und die abenteuerlichsten Gewinnerwartungen vorweggenommen. Spätestens im Herbst 2020 war die Bewertung von BioNTech bei €85 absurd hoch. Kein Expertenmodell (etwa der » bösen Insider«) wird jedoch zu dem Ergebnis gekommen sein, dass BioNTech auch noch 2023 €15 Milliarden verdienen wird können, geschweige denn, dass dieser Gewinn über die darauffolgenden Jahre weiter wachsen könnte. Aber nur solche Annahmen können einen Kurs von über €300 (Sommer 2021) rechtfertigen. Es werden wohl die Privatanleger gewesen sein.

Bewertungen von Fakten, bzw. Erwartungen entstehen im Kopf der Marktteilnehmer und sind daher grenzenlos. Gebändigt können sie nur von Tatsachen werden, den sogenannten Fundamentaldaten. Die haben kurzfristig nur einen geringen Einfluss auf die Preisbewegungen. Kurzfristig sind es die Hoffnungen und Ängste der Marktteilnehmer, die den größten Einfluss auf die Preise haben.

Je größer der Betrachtungszeitraum, desto mehr müssen sich Wünsche, Träume und Ängste  den Tatsachen beugen. Über einen Betrachtungszeitraum von 15- 20 Jahren spielen sie praktisch keine Rolle mehr, und Preise bilden ziemlich genau die Wirklichkeit ab.

Überdurchschnittliche Renditen kann man nur mit Meinungen erzielen, die nicht jenen der Allgemeinheit entsprechen. Das ist im Wesentlichen auch die Schwierigkeit des herausragenden Erfolgs am Kapitalmarkt: man kann sich niemals gewiss sein, und muss dennoch auf seiner eigenen, aktuell fragwürdigen, Meinung beharren.

Wenn man zu einem Unternehmen nicht eine Meinung hat, die allgemein als mindestens abwegig angesehen wird, dann sollte man sich keine überdurchschnittlichen Renditen erwarten. Dann ist es in jedem Fall besser, sich die durchschnittliche Rendite über Indexfonds zu sichern. Das gilt sogar, will man der Ansicht des legendären David F. Swensen folgen, auch für die meisten institutionellen Anleger.


Abschließend noch einige Gedanken zu…

Value vs Growth

Der Value-Ansatz gilt gemeinhin als vernünftig, klingt ja auch so. Experten verleihen sich auch gerne das Gütesiegel »Value Investor«, bzw. verkünden, dass sie konsequent den »Value-Ansatz« verfolgen. Das Problem dabei ist, so wie mit dem meisten Dingen, die bei Kunden gut ankommen, dass diese Begriffe inflationär und missverständlich verwendet werden. Weder sind sich Experten einig, was »Value« genau darstellen soll, noch ist »Value« ein brauchbarer Hinweis auf Anlageerfolge.

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Value-Anhänger nicht nur »imaginäre Werte« wie Erwartungen verachten, sondern sich insgesamt mit immateriellen Wirtschaftsgütern sehr schwer tun. Obwohl diese, wie beispielsweise Nutzerdaten oder Netzwerkeffekte, heute um Potenzen mehr wert sind, als es irgendwelche Betriebsanlagen jemals waren.

Was stimmt ist, dass dieser Ansatz vor plötzlichen Überraschungen schützt, Misserfolge schleichen sich häppchenweise ein, und schmerzen daher möglicherweise weniger. Bei »Wachstumsaktien« geschieht alles meistens rasanter. Viel mehr unterscheiden sich die beiden Ansätze in der Praxis, bzw. was die Aussicht auf Anlageerfolge anlangt, nicht.

Es stimmt interessanterweise auch, wie verschiedene Studien belegen, dass Value-Strategien langfristig betrachtet höhere Renditen hervorbringen, als Growth-Startegien. Ähnliches hat sich für Low-Volatility-Strategien im Vergleich zu High-Volatility-Strategien herausgestellt.

Das dürfte jedoch weniger daran liegen, dass Erstere vernünftiger sind, weil sie sich ja auf belegbare Fakten berufen, während Letztere eher einem Glücksrittertum gleichen und auf leichtsinnigen Visionen beruhen.

Vielmehr wird es daran liegen, dass Modelle von Menschen gemacht und umgesetzt werden. Von Menschen, die Wahrscheinlichkeiten nicht objektiv bewerten11siehe z.B. D. Kahneman, A. Tversky (1979): Prospect theory: An analysis of decision under risk, oder D. Kahneman (2011): Thinking, fast and slow, sondern hohe Wahrscheinlichkeiten intuitiv zu gering einschätzen, und niedrige Wahrscheinlichkeiten zu hoch (und 50:50 Wahrscheinlichkeiten überraschend genau).

Liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte (Value-)Aktie über die nächsten Jahre mit 10% p.a. wachsen wird, bei 99%, werden Anleger trotzdem intuitiv von einer Wahrscheinlichkeit von, z.B., 80% ausgehen. Die Aktie wird unbeliebter als gerechtfertigt, und daher eine Spur zu billig sein.

Liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine (Growth-)Aktie über die nächsten Jahre mit 50% p.a. wachsen wird, bei 1%, werden Anleger trotzdem intuitiv von, z.B., 20% ausgehen. Die Nachfrage nach der Aktie wird höher sein als gerechtfertigt, und der Kurs daher einige Spuren zu teuer sein.

Value-Aktien genießen dadurch einen Rückenwind und reagieren überdies, wie weiter oben ausgeführt, weniger sensibel auf Fehler. Das macht sie durchaus zu einem guten Investment. Sich dogmatisch mit diesem Ansatz zu rühmen ist wohl eher entlarvend, als ein Gütesiegel.

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