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Grundlagen

  • Geld entsteht, wenn eine Bank einen Kredit gewährt. Es wird vernichtet, wenn Kreditnehmer ihren Kredit bei der Bank tilgen.
  • Banken benötigen keine Bankeinlagen (Sparguthaben) um Kredite zu vergeben. Bankeinlagen sind das Ergebnis von Kreditvergaben.
  • Das Verhältnis der Banken zur Zentralbank ist vergleichbar mit dem Verhältnis von Bankkunden zu Banken.
  • Zentralbankreserven verändern weder die Geldmenge, noch können sie verliehen werden. Außerdem: Mindestreserven begrenzen die Geldmenge nicht, so wie der Geldmultiplikator Geld nicht vervielfältigt.
  • Die Allgemeinheit verwendet Geld, obwohl sie damit Steuern zahlen muß. Sie tut es, weil es alle tun und weil es so reibungslos funktioniert.

Will man das Wesen von Geld und unser Kreditwesen verstehen, so stößt man auf zwei Hürden: Die größte ist die, dass man sich nicht auf Quellen verlassen kann, die man als ausgesprochen seriös und glaubwürdig ansehen sollen dürfte.1s. z.B.: Olivier Blanchard, Gerhard Illing: Makroökonomie. 5. Auflage. Pearson Deutschland, 2010, ISBN 978-3-8273-7363-2, S. 130, oder Patrick Bernau: Euro-Tsunami: Die große Geldschwemme. In: FAZ.NET. 22. April 2012. (faz.net). H/T Wikipedia Bei den meisten schleichen sich noch immer kleine Ungenauigkeiten oder große Missverständnisse ein, die dem Leser mehr Verwirrung als Klarheit verschaffen. Mittlerweile gibt es vermutlich Publikationen, die das Thema einwandfrei aufbereiten, sie sind mir jedoch nicht bekannt (was nichts Besonderes bedeutet, schließlich bin ich kein Experte auf diesem Gebiet). Für Interessierte ist es daher ratsam, sich ausschließlich an den Veröffentlichungen der Deutschen Bundesbank (oder, leider noch immer präziser, der Bank of England) zu orientieren.

Die zweite Hürde ist die, dass die Funktionsweise unseres Kreditsystems – zumindest für Normalsterbliche – intuitiv schwer fassbar ist. Wir sind es nicht gewohnt, Geld „kreieren“ zu können, und es ist für uns auch ungewöhnlich, dass Geld eine Verbindlichkeit sein soll, und nicht ein Vermögenswert. Dass die Herausforderung nicht darin besteht Geld aufzutreiben, sondern eine Forderung aufzutreiben, die dem vorhandenen Geld gegenüberstehen muss.

Die bildliche Darstellung der einzelnen Vorgänge mittels Konten/Bilanzen hilft dem Verständnis. Besondere buchhalterische Kenntnisse sind dafür nicht nötig, es reicht, sich folgende Punkte in Erinnerung zu rufen:

  • Links sind die Vermögenswerte (Aktiva). Vermögenswerte, wie z.B. Gebäude, Kassabestand, oder Forderungen an Dritte, bzw. Darlehen die an Dritte vergeben wurden.
  • Rechts ist angeführt, wie die Vermögenswerte finanziert sind (Passiva). Finanzierungsarten, wie Grundkapital, oder Forderungen von Dritten, bzw. Darlehen, die aufgenommen wurden (Fremdkapital).
  • Anders ausgedrückt: Links=Mittelverwendung, Rechts=Mittelherkunft.
  • Buchungen auf der einen Seite der Bilanz müssen immer eine Entsprechung auf der anderen Seite finden (doppelte Buchführung).
  • Die Aktivseite sollte immer größer als die Passivseite sein. Die Differenz wird Eigenkapital genannt. Ist die Differenz negativ, so spricht man von Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz).

Geld2siehe hierzu auch den Beitrag der Deutschen Bundesbank: „Wie Geld entsteht wird in erster Linie weder von einer Zentralbank, und schon gar nicht vom Staat „gedruckt“3„Gelddrucken“ im Sinne von „willkürlich die Geldmenge vermehren“ geschieht höchstens dann, wenn der Staat Kredite aufnimmt (Staatsanleihen begibt), die, weil der Privatsektor sie nicht gewähren will, faktisch von der Zentralbank gewährt werden (indem sie die begebenen Staatsanleihen umgehen aufkauft). Dies geschieht jedoch nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise in den 2010er Jahren, und immer (?) nur in begrenztem Ausmaß.. Geld wird zwar auch tatsächlich von Zentralbanken „gedruckt“, allerdings macht die tatsächlich gedruckte (Banknoten) Geldmenge nur einen sehr geringen Anteil des umlaufenden Geldes aus.

Geld entsteht vor allem dadurch, dass eine Bank einen Kredit gewährt, und dem Schuldner die Kreditsumme gutschreibt. Die Kreditsumme ist für die Bank ein Vermögenswert (Forderung an Dritte), das Guthaben des Kreditnehmers eine Verbindlichkeit (Verbindlichkeit an Dritte).

Geld entsteht überdies auch dann, wenn eine Bank Vermögenswerte (Gold, Devisen, Wertpapiere, Immobilien, etc.) kauft. Dieser Vorgang der Geldschöpfung trägt jedoch einen vernachlässigbaren Anteil bei.

Entsprechend – spiegelverkehrt – ist das geschaffene Geld für den Kreditnehmer (den Fischer) ein Vermögenswert, und der Kredit eine Verbindlichkeit.4die folgenden Kontenbezeichnungen und Überschriften sind vorerst nebensächlich, und möglicherweise an anderer Stelle von Nutzen. Eigenkapitalwerte sind willkürlich und dienen nur der Illustration..

Geld_Abb.1

Banken benötigen offensichtlich keine Kundengelder, um Kredite zu vergeben. Im Gegenteil: Kundengelder (Geld, Sparguthaben, etc.) entstehen durch Kreditvergabe.

Kauft der Fischer mit seinem Guthaben ein Boot (eine Investition, mit der er seine Produktivität steigern will), so wird dieses Guthaben dem Verkäufer (Bootsbauer) gutgeschrieben. Der Fischer ersetzt sein Guthaben durch ein Boot, und die Verbindlichkeit der Bank wechselt vom Fischer zum Bootsbauer.

Läuft die Investition wie geplant, so wird der Fischer die zusätzlichen Gewinne (die durch die höheren Produktivität entstanden) auf die Seite gelegt, und ein entsprechendes Bankguthaben angehäuft (und sein Eigenkapital erhöht) haben. In Abb. 2 hat der Fischer zwischenzeitlich 5 Geldeinheiten angespart, weil er um diesen Betrag (mehr) Fische an den Bootsbauer verkaufen konnte. (Hier wird vereinfacht davon ausgegangen, dass es ausschließlich Fischer und Bootsbauer auf der Welt gibt, die nur Boote und Fische handeln. Das Ergebnis wird prinzipiell aber auch dann so aussehen, wenn man beliebig viele Leistungen/Produkten und Marktteilnehmer einbezieht).

Geld_Abb.2

Sobald das angesparte Guthaben des Fischers für die Kredittilgung ausreicht, wird der Fischer seinen Kredit tilgen. Er hat seine Bankverbindlichkeit erfolgreich in ein Boot umgewandelt und sein Eigenkapital entsprechend erhöht. Die Bank verwendet das Bankguthaben für die Kredittilgung, wodurch sich die Verbindlichkeit an den Fischer auflöst, und das zuvor geschöpfte Geld „vernichtet“ wird.

Geld_Abb.3

Das vorherige Beispiel ist der Idealfall für eine Geschäftsbank. In Wirklichkeit ist es allerdings so, dass nicht alle Menschen ihr Konto bei der selben Bank haben. Hat der Bootsbauer sein Konto bei Bank II, so muss Bank I gemeinsam mit mit der Verbindlichkeit (Kundeneinlage Bootsbauer) Bank II auch einen Vermögenswert (Aktivposten) übertragen. Bank I kann dies auf drei Wegen tun. Bevor diese beschrieben werden ist es sinnvoll, relevante Begriffe/Konzepte zu klären.

Zentralbankgeld5s. hierzu und zu folgenden auch: „Die Geldpolitik des Eurosystems ist immer (mit Ausnahme des Handels mit Vermögenswerten, s. unten) eine Verbindlichkeit der Zentralbank, so wie Geld immer eine Verbindlichkeit von Banken ist. So wie Banken ihren Kunden Geld zur Verfügung stellen (schöpfen), indem sie ihnen (gegen Sicherheiten) Kredite gewähren, stellt die Zentralbank Banken (gegen Sicherheiten, in der Regel Staatsanleihen) Zentralbankgeld zur Verfügung (auch sie schöpft es, kann dies allerdings, im Gegensatz zu Banken, unbegrenzt).

Wenn die Zentralbank Zentralbankgeld schöpft, verlängert sich ihre Bilanz: Um die neue Forderung gegenüber dem Kreditnehmer (Bank) auf der SOLL-Seite, und um das geschöpfte Zentralbankgeld (eine Verbindlichkeit gegenüber der Bank) auf der HABEN-Seite. Bei der Bank(-bilanz) führt das zu einem Aktivtausch. Sie tauscht (verpfändet/verkauft) einen Aktivposten (in der Regel Staatsanleihen) gegen einen andern (Guthaben bei der Zentralbank/Reserven).

Zentralbankgeld wird „vernichtet“, wenn Banken ihre Guthaben reduzieren (Kredite bei der Zentralbank tilgen) oder die Zentralbank Vermögenswerte verkauft. Im Zuge dessen wird die Bilanz der Zentralbank „verkürzt“ und bei der Bank findet wieder ein (entgegengesetzter) Aktivtausch statt.

Zentralbankgeld (_so wie Geld) entsteht auch, wenn wenn sie mit Vermögenswerten handelt. Wenn die Zentralbank (_eine Bank) Vermögenswerte (Gold, Devisen, Immobilien u.Ä.) von Banken (_dem Privatsektor) kauft, entsteht Zentralbankgeld (_Geld), wenn sie solche verkauft, wird Zentralbankgeld (_Geld) vernichtet. Es handelt sich dabei um sogenannte „nicht-kreditweise Schaffung von Zentralbankgeld (_Geld)“

Banknoten enstehen (werden „gedruckt“), wenn Banken Zentralbankgeld (ihr Guthaben bei der Zentralbank/Reserven) gegen Banknoten eintauschen.

Mit Ausnahme von Bargeld, das auch Zentralbankgeld ist, zirkuliert Zentralbankgeld ausschließlich zwischen Banken, Zentralbanken und dem öffentlichen Sektor.

Die Aktivpositionen (SOLL-Seite) der Zentralbank zeigen, wie das Zentralbankgeld entstanden ist (Forderungen, Gold, Devisen, etc.). Die Passivpositionen (HABEN-Seite) der Zentralbankbilanz zeigen, in welcher Form das im Umlauf befindliche Zentralbankgeld gehalten wird (Bargeld, Reserven, etc.)

Banken benötigen Guthaben (Reserven) bei der Zentralbank vor allem für den Zahlungsverkehr, und in manchen Ländern (z.B. Deutschland und Österreich, nicht aber z.B. UK und USA) auch, um Mindestreserveanforderungen zu erfüllen.

Banken unterhalten zu diesem Zweck ein Girokonto bei der Zentralbank. Auf der Aktivseite dieser Konten befinden sich Reserven in Form von Zentralbankgeld. Banken können sich solche beschaffen, indem sie Geld bei der Zentralbank aufnehmen (gegen Sicherheiten) oder der Zentralbank Vermögenswerte verkaufen (Wertpapiere, Gold, Devisen, etc.).

Das Guthaben einer Bank kann sich auch erhöhen, wenn sie von einer anderen Bank im Rahmen des Zahlungsverkehrs Reserven erhält (s. unten)

Guthaben bei der Zentralbank werden mit dem Einlagezinssatz (Einlagefazilität) vergütet.6diese war ab 2014 negativ Die Kosten für die Aufnahme von Krediten bei der Zentralbanken sind unterschiedlich. Der meistbeachtete Preis, der auch das wichtigste geldpolitische Instrument ist, ist der Leitzins.7korrekte Bezeichnung: Hauptrefinanzierungssatz

Noch immer und immer wieder werden Zentralbankguthaben, bzw. Reserven der Banken bei der Zentralbank missverstanden. Solche Reserven erhöhen weder die Geldmenge, noch können sie (von Banken als Kredit) verliehen werden.

Reserven und Geldmenge: Zentralbankguthaben von Banken haben keinen Einfluss auf die Geldmenge. Wie oben erläutert, führt die Schöpfung von Reserven (Zentralbankgeld) bei der Zentralbank zwar zu einer Verlängerung ihrer Bilanz, jedoch bei den Banken lediglich zu einem Aktivtausch. Banken verwandeln dabei langfristige Forderungen (Staatsanleihen, mitunter auch Anleihen geringerer Bonität) in „Bargeld“. Und zwar „Bargeld“ in Form von Zentralbankgeld, das sie allerdings weder in Umlauf bringen, noch verleihen können. Wie gesagt: Geld entsteht (und die Geldmenge erhöht sich) dann, wenn Banken Kredite vergeben (oder Vermögenswerte kaufen).

Reserven und Kreditvergabe:8siehe hierzu: Repeat After Me: Banks Cannot And
Do Not „Lend Out“ Reserves
Wie eingangs dargestellt, benötigen Banken keine Kundengelder, um Kredite zu vergeben. Im Gegenteil: Kundengelder (Geld, Sparguthaben, etc.) entstehen durch Kreditvergabe. Genauso benötigen Banken keine Reserven bei der Zentralbank, um Kredite zu vergeben. Sie benötigen (unter bestimmten Umständen) Reserven, weil sie Kredite vergeben haben.

Damit zusammenhängende (ähnlich hartnäckige) Missverständnisse betreffen zwei weitere Konzepte:

Mindestreserve: Mindestreserven werden nicht von allen Zentralbanken verlangt, haben keine begrenzende Wirkung auf die Geldschöpfung durch Banken, und sie sind somit kein Instrument zur Geldmengen-/ oder Zinssteuerung.  Mindestreserven dienen heute, wenn überhaupt, nur der Risikosteuerung.

Geldschöpfungsmultiplikator: Er kann höchstens dann eine Bedeutung haben, wenn, wie im Spätmittelalter, Kundeneinlagen für die Kreditvergabe verwendet werden. Das ist jedoch schon lange nicht mehr der Fall.

Sobald der Fischer also sein Guthaben bei Bank I an das Konto des Bootsbauers bei Bank II überwiesen hat, wird Bank I einen Vermögenswert an Bank II übertragen müssen. Bank I hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um dies zu tun:

Entweder gewährt ihr Bank II einen Kredits, womit sie für Bank II den benötigten Vermögenswert (Forderung an Dritte) schafft. Banken tun das im Rahmen des Tages- und Termingeldhandels, also über eine Nacht bzw. über Zeiträume von einer Woche bis zu einem Jahr. Der Zinssatz, den Banken für die Überlassung von Termingeldern verlangen wird Interbank Offering Rate genannt. Der wichtigste war früher der LIBOR (London Interbank Offering Rate), heute ist es der EURIBOR, bzw. EONIA.

Es ist in der Regel die bevorzugte Variante, da so einerseits Bank II eine höhere Verzinsung erhält, als bei der Zentralbank (EURIBOR ist immer höher als der Leitzins), andererseits Bank I weniger (bzw. keine) Aktiva dafür einsetzen muss.

Geld_Abb.4

Oder Bank I überweist den entsprechenden Betrag in Form von Reserven (Zentralbankgeld) von ihrem Zentralbankkonto auf das Zentralbankkonto von Bank II. Dadurch erhöht (verringert) sich das Guthaben von Bank II (Bank I) bei der Zentralbank, und somit auch die Aktivseite ihrer Bilanz.

Geld_Abb5

Kritisch wird es, wenn alle Beteiligten Liquidität (Barmittel) wollen und gleichzeitig an der Zahlungsfähigkeit (Solvabilität) anderer Banken zweifeln. So geschehen, beispielsweise, im Herbst 2008, als der Interbankenmarkt vollkommen erstarrt war. Zentralbanken kommen in solchen Situationen ihrer Funktion als „Lender of Last Resort“ nach, um die vorherrschende Vertrauenskrise im Bankensystem zu überbrücken. Im Euroraum wurde hierfür die „Emergency Liquidity Assistance“ (ELA) eingerichtet.

Je höher die Zinsen sind, die die Zentralbank für Einlagen bezahlt, desto höher werden die Zinsen sein, die Bank II von Bank I für das Überlassen von Barmitteln verlangt, und umso höher werden die Zinsen sein, die Bank I von ihren Kunden für Kredite verlangt. Die vorherrschende Meinung geht davon aus, dass Zentralbanken mit ihren Zinsfestlegungen die Wirtschaftsaktivität, bzw. das Inflationsniveau steuern können. Im Abschnitt „Zinsen“ soll (bald) der Frage nachgegangen werden, inwieweit das tatsächlich so ist.

Hebt der Bootsbauer sein Bankguthaben (das er vom Fischer erhalten hatte, s. Abb.2 unter „2 VOR“) in Bar ab, so muss sich die Bank die entsprechenden Banknoten bei der Zentralbank besorgen. Hierzu nimmt die Bank einen Kredit bei der Zentralbank auf (gegen Sicherheiten, in der Regel Staatsanleihen), oder verkauft der Zentralbank Vermögenswerte (Gold, Devisen, Staatsanleihen). Im Gegenzug erhält die Bank Zentralbankgeld (Reserven), gegen die sie dann Banknoten geliefert bekommt. Sobald sich der Bootsbauer die Banknoten abholt, verliert die Bank ihre entsprechende Verbindlichkeit. Der Forderung gegen den Fischer steht nun nicht mehr die Verbindlichkeit an den Bootsbauer gegenüber, sondern das Eigenkapital der Bank. Der Bootsbauer hat nun keine Forderung gegenüber der Bank, sondern gegenüber der Zentralbank (in Form von Banknoten).

Geld_Abb.6

Bezahlt der Bootsbauer den Fischer für die gelieferten Fische in Bar (statt als Überweisung, s. Abb. 2 unter „2 NACH“), so wird der Fischer irgendwann das Bargeld zur Bank bringen, um seinen Kredit zu tilgen. Die Bank wird dann die Forderung gegen den Fischer ausbuchen, die Banknoten bei der Zentralbank gegen Reserven tauschen und eine Bilanz , wie in Abb. 3 unter „3 NACH“ dargestellt, aufweisen.

Was ist es, das Menschen dazu veranlasst, ein Stück bedrucktes Papier für einen offensichtlich wertvollen Gegenstand (z.B. ein Schumacher für ein Paar Schuhe) oder eine offensichtlich wertvolle Dienstleistung (z.B. ein Zahnarzt für eine Zahnfüllung) zu akzeptieren? Oder gar einen Arbeitnehmer dazu, seine Arbeitsleistung für einen digitalen Eintrag (für dessen Bestätigung er bestenfalls einen simplen Kontoauszug erhält) bereitzustellen?

Es gibt viele (kreative) Erklärungen dafür, die aktuell verbreitete ist die (bekannt unter der Bezeichnung „Chartalismus“), dass sich Menschen vom Staat die Verwendung von Geld aufzwingen lassen, weil sie nur mit diesem Geld ihre Steuern bezahlen können. (Die Vertreter dieser Meinung gehen sogar soweit zu behaupten, dass Menschen gar nicht (für den Staat) arbeiten würden, wenn sie nicht ausschließlich mit diesem „Staatsgeld“ ihre Steuern bezahlen könnten). Für Personen, die aktiv am Wirtschaftsleben beteiligt sind (also nicht Wissenschaftler, Politiker oder Beamter), muss diese Erklärung eigenartig klingen. Solche Personen würden eher verwundert sein, dass Menschen Geld verwenden, obwohl damit Steuern zu bezahlen sind.

Diese Auffassung bedingt außerdem zwingende Voraussetzungen und muss sich außerdem auf die Annahme stützen, dass Herrscher/Gesetzgeber einen tiefen Einblick in die Funktionsweise von Geld und Handel besitzen. Schon alleine aus diesen Gründen darf man gegenüber diesen Auslegungen des Chartalismus skeptisch sein.

Einerseits, weil Erklärungen, die Annahmen bedingen, in der Regel immer schlechter sind, als solche die solche nicht bedingen9Ockhams Rasiermesser: auch Prinzip der Parsimonie, lex parsimoniae oder Sparsamkeitsprinzip – ist ein heuristisches Forschungsprinzip aus der Scholastik, das bei der Bildung von erklärenden Hypothesen und Theorien höchstmögliche Sparsamkeit gebietet. Das nach Wilhelm von Ockham (1288–1347) benannte Prinzip findet seine Anwendung in der Wissenschaftstheorie und der wissenschaftlichen Methodik. Andererseits, weil sogar heute noch bei den wenigsten des angesprochenen Personenkreises ein ausreichender Einblick in relevante Funktionsweisen bemerkbar ist.

Schließlich, und das kann als das stärkste Gegenargument gelten, basiert der Chartalismus fälschlicherweise auf der Annahme, dass Geld nur vom Staat geschaffen (geschöpft) werden kann. Eine Annahme, die einfach nicht stimmt.

Eine plausiblere Erklärung wird folglich eine sein, die von einer ungeplanten geschichtlichen Entwicklung ausgeht, bei der sich die praktikabelste Lösung durchsetzte. Erinnert man sich daran, dass Geld mindestens bis in die Zeit der Renaissance keine Bedeutung für die breite Bevölkerung hatte, sondern primär von Herrschern (für Kriege, bzw. die Bezahlung der Söldner) und Händlern verwendet wurde, dann dürfte(n)

  • Geld entstanden sein, weil es den überregionalen Handel ermöglichte
  • Banknoten entstanden sein, weil sie den überregionalen Handel erleichterten
  • Geld sich bei den breiten Massen durchgesetzt haben, weil sie keine andere Wahl hatte

Obwohl entscheidend, wird oft der Netzwerkeffekt vernachlässigt, der den Ersatz etablierter Zahlungsmittel (durch möglicherweise bessere Alternativen) maßgeblich erschwert: Egal, welche Form ein Zahlungsmittel hat, oder von wem es kontrolliert wird: es wird jenes bevorzugt verwendet, das von den meisten Beteiligten bevorzugt wird.

Genau das dürfte auch der Grund sein, warum die meisten Menschen nicht wissen, wie Geld funktioniert, und auch kein Bedürfnis verspüren, es zu erfahren: Man verwendet, was alle verwenden, und solange es problemlos funktioniert, gibt es keinen Grund etwas zu hinterfragen.

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