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Konsum > Kredit

„Strebe nicht nach Geld, sondern nach Vermögen.
Mit Geld wird Zeit und Vermögen transferiert. Vermögen produziert Geld.“

_Naval Ravikant

Es war einmal ein Fischer und ein Bauer. Sie lebten mit ihren Frauen als einzige Bewohner auf einer abgeschiedenen Insel. Ihr Tag war aufgeteilt in Arbeitszeit – um das Überleben zu sichern – und Freizeit – um das Leben genießen zu können. Diese Freizeit stellt in diesem einfachen Leben den Konsum dar, der über das Lebensnotwendige hinausgeht. Also beispielsweise der Papaya-Salat statt dem Kohlsalat. Eines Tages kam der Bauer auf die Idee, einen Pflug zu bauen. Um das zu schaffen, müsste er seine gesamte Freizeit opfern, also auf Konsum verzichten. Der Bauer verzichtet auf Konsum: er spart. Das Ersparte verwendet der Bauer, um einen Pflug zu bauen: er investiert. Die Wirtschaft auf der Insel funktioniert lehrbuchmäßig.

Dieses Gleichgewicht endet, sobald der Bauer nach einem Jahr Entbehrungen endlich den Pflug fertiggestellt hat. Er hat durch seine Investition seine Produktivität gesteigert und Kapital geschaffen (den Pflug). Da er nun im Vergleich zu früher viel mehr ernten kann, hat er drei Möglichkeiten diesen Produktivitätszuwachs einzusetzen: Er könnte mit dem Überschuss das Kind ernähren, das gerade auf die Welt gekommen ist (Bevölkerungszuwachs). Er könnte ein Pferd zähmen, und mit der zusätzlichen Nahrung durch den Winter bringen (Kapitalzuwachs). Oder er könnte von nun an weniger arbeiten, mehr Freizeit genießen, also mehr konsumieren (Wohlstandszuwachs).

Der Bauer hätte nicht unbedingt auf seine gesamte Freizeit verzichten müssen. Er hätte zum Fischer gehen, und folgendes vereinbaren können: Der Fischer stellt mit ihm gemeinsam den Pflug her und bekommt im Gegenzug dafür ein Jahr lang das Viertel des zukünftigen Ernteertrags. Der Fischer würde ihm also einen Kredit gewähren und würde innerhalb eines Jahres die Kreditsumme sowie Zinsen zurückerhalten. Eine fantastische Vereinbarung, die für beide Vorteile bringt. Der Bauer verschuldet sich zwar, aber er weiß, dass er die Schuld durch den Produktivitätszuwachs ohne Probleme zurückzahlen wird können. Nach der Rückzahlung würde er frei über den gesamten Produktionszuwachs verfügen können. Der Fischer hat zwar ein Jahr lang seinen Konsum einschränken müssen. Aber er verfügt im Folgejahr über deutlich mehr Einkommen. Dieses Einkommen kann er für mehr Konsum verwenden (mehr Freizeit) oder um über seine Arbeit nachzudenken und vielleicht auf die Idee kommen, ein Netz zu bauen (Forschung und Entwicklung). Der Bauer hätte im ersten Jahr keine größeren Vorteile, aber in den darauf folgenden Jahren all die weiter oben beschriebenen Möglichkeiten.

Ein Musterbeispiel, das die wundersamen Vorteile von Krediten verdeutlicht.

Wenn wir einige Jahre vorspulen, sehen wir, dass der Bauer mittlerweile eine dreimal größere Fläche bewirtschaftet. Er hat ein Pferd, zwei Kinder, einen Obstgarten und einen Gemüsegarten. Sein Kapital, und somit seine Produktivität, ist maßgeblich gestiegen. (Auch wenn es nicht charmant ist, den Bauer und seine Familie als Kapital zu bezeichnen). Der Fischer hat das Mehreinkommen von damals ausschließlich für Konsum verwendet. Er genoss ein Jahr lang mehr Freizeit, und lebt heute so wie damals. Nachwuchs hat er auch keinen, weil seine Produktion für eine größere Familie nicht ausreichen würde. Alles so weit, so gut. Es gab nur zwei Probleme:

Der Bauer lebte mit seiner Familie im Überfluss. Sie hatten mehr als sie für ein gutes Leben brauchten. Und er konnte mittlerweile so viel Freizeit (Konsum) genießen, dass er nicht mehr wusste, was er mit ihr anfangen sollte. Er hätte gerne einen Partner zum Kartenspielen. Der Fischer, andererseits, beneidete mittlerweile den Bauer. Er hätte auch gerne mehr Freizeit, konnte sie sich aber nicht leisten. Ihm war schon einmal die vage Idee gekommen, ein Netz zu bauen, verfolgte sie aber nicht weiter. Er war zu sehr mit seiner Freizeitgestaltung beschäftigt. Außerdem müsste er für solche Vorhaben ein Jahr lang auf seine Freizeit (Konsum) verzichten. Davon hatte er schon jetzt zu wenig, und übrigens deutlich weniger als sein Nachbar, der Bauer.

Der Bauer war ein guter Verkäufer und er hatte sich seine Argumente gut zurecht gelegt (genug Zeit hatte er ja). Der Fischer solle ein Jahr lang täglich eine Stunde Karten mit ihm spielen (der Fischer soll etwas konsumieren, wofür er aktuell nicht die Mittel hat). Er würde dann zwar nicht ausreichend Fische fischen, aber das wäre kein Problem. Er, der Bauer, könne dafür einspringen. (Nahrung, übrigens, für die der Bauer nicht eine Stunde, sondern nur eine viertel Stunde mehr arbeiten müsste. Seine Produktivität war vier Mal höher, als jene des Fischers1Zufällig eine pointierte Darstellung der Problematik des Nord-Süd-Gefälles ). Nach diesem Jahr bräuchte der Fischer aber nicht täglich eine Stunde mehr zu arbeiten (um seine Schuld zu begleichen), sondern könnte die Rückzahlung auf fünf Jahre zu je einer viertel Stunde aufteilen (das fünfte Jahr für Zinsen). Das Angebot erschien dem Fischer fair und verlockend (Verzicht jetzt und Vorteil später, oder Vorteil jetzt und sogar viel weniger Verzicht später). So dauerte es nicht lange, bis der Fischer überredet war.

Nach Ablauf des Jahres hatte der Fischer täglich eine viertel Stunde weniger Freizeit, statt eine Stunde mehr, wie im vorherigen Jahr. Das missfiel ihm, und so fragte er den Bauer, ob er sein Angebot nicht wiederholen wolle. Der überlegte nicht lange, und bot ihm sogar an, das Angebot zu verdoppeln. Lange Rede, kurzer Sinn, nach einigen Jahren war der Fischer so sehr beim Bauern verschuldet, dass er nicht einmal genug Nahrung für seine Frau und sich selbst hätte, auch wenn er vollkommen auf seine Freizeit verzichtete. Die Lösung kam vom Bauern:

Er würde ihm ausreichend Nahrung zum Überleben zusichern, wenn er von nun an für ihn und zu seinen Bedingungen arbeiten würde. Mögliche Überschüsse würden so natürlich dem Bauern zustehen. Und solche Überschüsse wird es reichlich geben, denn die Tochter des Bauers war ein geschicktes Kind. Sie hatte nicht nur schon ein Netz angefertigt, sondern war auch schon dabei, ein Boot zu bauen.

Ein Musterbeispiel, das die fatale Funktion von Krediten verdeutlicht.

Das größte Kapital, das ein Mensch besitzt, ist er selbst. Es macht Sinn Geld in sich selbst zu investieren, teilweise sogar mittels Krediten, um sich möglichst viele Optionen für die Lebensgestaltung zu sichern. Investitionen in die physische (Bewegung, Erholung) und psychische (soziale Kontakte, Erlebnisse) Gesundheit, in Bildung, etc. Sind diese Bereiche ausreichend abgedeckt, könnte man Geld weiter in sich selbst investieren. Auch wenn diese Investitionen keinen Mehrertrag versprechen, sondern sofort nach dem Kauf an Wert verlieren: Mehr Louis statt Liebe, mehr BMW statt Bücher, mehr Wohnfläche statt Wohlbefinden. Schlimmstenfalls mittels Krediten. Oder man verwendet das Geld für Werte, die Geld schaffen.

Klar ist, dass Konsumausgaben die Möglichkeit vernichtet, Vermögen zu schaffen. Vermögen, das Einnahmen schafft. Einnahmen, die das Leben eines Menschen einfacher und möglicherweise unabhängiger machen. Es ist nicht leicht auf Konsum zu verzichten und man kann auch keine Unterstützung erwarten. Weder die Öffentlichkeit (Gesellschaft/Staat) noch Unternehmen haben Interesse ein solches Verhalten zu unterstützen – ganz im Gegenteil. Wirklich tragisch ist es jedenfalls, wenn Menschen sogar die Möglichkeit selbst (Vermögen durch Konsumverzicht zu schaffen) vernichten, indem sie Konsumkredite aufnehmen.

Man stelle sich vor, der Großteil der Bevölkerung verfüge über ein Vermögen, dessen Rendite ihnen ein passables Grundeinkommen gewährleistet – sei es auch erst nach zwei oder drei Generationen. Sie könnten ihr Leben weit unabhängiger bestimmen, bei der Wahl ihres Arbeitgebers wählerisch sein und vielleicht sogar Arbeitsbedingungen mitbestimmen. Wem würde das wohl am wenigsten gefallen?

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