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Gewinnen an Kapitalmärkten nur Superreiche und »Insider«?

Soll man als Kleinanleger die Finger von den Kapitalmärkten lassen, weil dort mit gezinkten Karten gespielt wird? Weil es sich die Profis und Superreichen »richten« können, mitunter zu Lasten der Kleinanleger?

Nun, zuerst gibt es diese Geschichte vom Hobbyfischer, der ein Geschäft für Anglerbedarf besucht. Er bemerkt dort die riesige Auswahl an Ködern, die in allen erdenklichen Größen, Farben, Formen und Materialien angeboten werden. Verwundert fragt er den Verkäufer: »Hilft das wirklich? Ich meine, bemerken die Fische da wirklich Unterschiede?«. Der Verkäufer antwortet: »Mein  Herr, wir verkaufen an Fischer, nicht an Fische!«.

Die Finanzindustrie sieht sich (leider immer noch) als Industriezweig, wie jeder andere. Mit dem primäres Ziel Gewinne zu erzielen, indem Bedürfnisse von Kunden erkannt und befriedigt werden. Das Bedürfnis nach besonders individueller Betreuung und besonders smarten Lösungen (Finanzprodukten) haben alle, egal wie wohlhabend. Und natürlich ist die Betreuung der Superreichen individueller und intensiver, als jene der Kleinanleger. Und natürlich ist das Produktangebot für Superreicher breiter, spezieller und ausgeklügelter.

Ihnen werden keine Bausparverträgen, Lebensversicherungen oder gar Garantiezertifikate angeboten, sondern ausgeklügelte Devisenstrategien, maßgeschneiderte Optionskonstruktionen oder, seit mehreren Jahren besonders beliebt, Zugang zu exklusiven »Private Equity« Deals. Das Ergebnis, unter dem Strich, sieht am Ende jedoch in den allermeisten Fällen nicht viel anders aus, als bei privaten Kleinanlegern. Die urmenschliche Überzeugung, dass individuellere und komplexere Lösungen grundsätzlich besser sind, hängt nämlich nicht von der Höhe des Vermögens ab.

Mit steigendem Wohlstand steigt sogar das Gefühl, Anspruch auf die exklusivsten und individuellsten Angebote zu haben. Diese Überzeugung ist in manchen Lebensbereichen vielleicht auch gerechtfertigt, bei der Vermögensverwaltung ist sie allerdings vollkommen falsch.

Die Finanzindustrie, als Industriezweig wie jeder andere, sieht seine Aufgabe nicht darin, diesem Missverständnis entgegenzuwirken. Für sie ist diese, und ähnliche menschliche Schwächen, eine willkommene Möglichkeit, um die eigenen Profite zu steigern. Eingeschränkt wird dieses Streben nach Profit allein durch die Gefahr, dass ein Kunde unzufrieden zur Konkurrenz abwandern könnte. Das gilt für global renommierte Privatbanken genauso, wie für lokale Volksbanken. Man kann ihnen nichts vorwerfen, denn sie agieren entsprechend ihres Auftrags und im Rahmen der Gesetze.

Essenziel ist es jedoch, diese Zusammenhänge zu erkennen, und sich zu überlegen, wie man damit umgeht.

Manch informierte Leserin mag nun entgegen: »Ja, gut, aber was hat es dann mit dem Status „professioneller Anleger“ auf sich? Haben diese Anleger etwa nicht Zugang zu besseren Möglichkeiten?«. Tatsächlich, diesen Status hat der Gesetzgeber für Anleger vorgesehen, die gewisse Kenntnisse und Erfahrungen vorweisen können und über eine gewisse Mindestgröße an investierbarem Vermögen verfügen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen unfairen Vorteil für Superreiche, sondern vielmehr um einen geschickten Schachzug der Finanzindustrie. Indem sie den Gesetzgeber davon überzeugen konnte, dass Anleger unter gewissen Voraussetzungen keinen Schutz benötigen, kann sie diesen noch viel exotischere und riskantere Finanzprodukte, bzw. noch abstrusere Abenteuerlichkeiten noch besser verpackt, verkaufen. Den Status tauften sie natürlich nicht »Freiwild«, sondern »professioneller Anleger«. Anlegern mit diesem Status können sich so rühmen, nun mit den großen Jungs spielen dürfen.

Ein weiterer Grund, warum große Vermögen keine Eintrittskarte zu besonderen Erfolgen an Kapitalmärkten sind, ist die Wahrnehmung der eigenen Intelligenz und der eigenen Fähigkeiten. Ein Faktor, dem nicht nur sehr vermögende Privatkunden zum Opfer fallen, sondern auch, vermutlich sogar insbesondere, die vermeintlichen »Insider«, die Finanzprofis, die direkt an der Front des Geschehens tätig sind.

Je erfolgreicher jemand beruflich ist, bzw. je höher es jemand in den Rängen der Finanzindustrie geschafft hat, desto überzeugter ist dieser jemand, dass er zu überdurchschnittlichen Erfolgen an den Kapitalmärkten fähig ist. Anders gesagt: Je größer das selbst erwirtschaftete Privatvermögen, desto größer die Gefahr der Selbstüberschätzung. Logisch: ein so großes Vermögen kann nur durch besonderen Fleiß, durch außerordentliche  Fähigkeiten und durch regelmäßig richtige Entscheidungen entstehen.

Am schlimmsten trifft es in diesem Zusammenhang die Musterschüler mit den besten Abschlüssen an den besten Schulen und Universitäten. Sie besitzen die offizielle Bestätigung, dass sie zu den intelligentesten Menschen zählen. Das Problem ist nur: Intelligenz hat mit Erfolg an den Kapitalmärkten nur wenig zu tun1ein prominentes, wenn auch nicht besonders gutes Beispiel, ist die Geschichte von LTCM; nachzulesen auch im spannenden Buch »When Genius Failed«.

Für den überdurchschnittlichen Erfolg an Kapitalmärkten sind nämlich ganz andere, in der Regel unübliche Fähigkeiten, gefordert. Wie beispielsweise der Umgang mit regelmäßigen Misserfolgen, bzw. Fehlentscheidungen. Eine Fähigkeit, die eben gerade dort am seltensten anzutreffen ist, wo das Ausmaß an Intelligenz und Erfolg am höchsten ist.

Das heißt nicht, dass es unmöglich ist, an Kapitalmärkten überdurchschnittlich erfolgreich zu sein. Die Sache ist nur, dass Privatinvestoren die Möglichkeit überdurchschnittlicher Erfolge nie, bzw. zu spät kennenlernen werden. Egal ob sie zehn Tausend oder zehn Milliarden  Euro anlegen wollen.

Ein gutes Beispiel für »zu spät« ist die Firma Berkshire Hathaway des mittlerweile weltbekannten Warren Buffett. Jeder hätte schon vor 40 Jahren an seinem Erfolg teilhaben können, aber kennen Sie jemanden? Oder kennen Sie jemanden, der jemanden kennt? Heute kennen auch Sie ihn und sind womöglich auch Sie von seinen Fähigkeiten überzeugt, aber heute ist die Performance der Aktie nur mehr marginal besser als der Durchschnitt2aus logischen Gründen, die aber alle nichts mit den Fähigkeiten von W. Buffett zu tun haben.

Gute Beispiele für »nie« gibt es weitaus mehr, das prominenteste ist wohl James Simons. Die jährliche Performance seines »Medallion Fund« über die letzten 30 Jahre liegt bei etwa 66% und eine negative Rendite musste er in diesen Jahren nur ein einziges Mal erleben. Er hat aufgehört Geld von Anlegern anzunehmen, lange bevor er seine bescheidene Berühmtheit erlangte. Niemand tut sich den riesigen Aufwand an, der mit Investoren verbunden ist, wenn er nicht muss. Müssen tun es eben nur jene, die ihr Geld mit diversen Gebühren verdienen, und nicht mit außerordentlicher Performance.

Ok, ich gebe zu, dass auch Privatanleger über einige Jahre überdurchschnittlich hohe Renditen erzielen können. Erforderlich dafür ist aber sehr viel Glück.

Will man sich nicht auf sein Glück verlassen, aber trotzdem überdurchschnittliche Erfolge an den Kapitalmärkten erzielen, dann braucht man vor allem Geduld. Egal, ob man zehn Tausend oder zehn Milliarden Euro anzulegen hat. Egal, wie schwer es Superreichen auch fällt zu akzeptieren, dass sich der eigene Weg zum Erfolg nur wenig von jenem der Kleinverdiener unterscheidet.

Überdurchschnittlicher Erfolg an den Kapitalmärkten erfordert weder besondere Fähigkeiten, noch besondere Intelligenz oder gar Kontakte. Er erfordert gewisse charakterliche Qualitäten, die interessanterweise mit steigendem Reichtum oft verloren gehen. Sind am Ende gar die Kleinanleger im Vorteil?

Vertrauen Sie mir nicht blind, schauen Sie sich um, oder fragen Sie, falls die Möglichkeit besteht, bei tatsächlich erfolgreichen Investoren nach. Oder lesen Sie, was Warren Buffett dazu zu sagen hat:

»Over the years, I’ve often been asked for investment advice, and in the process of answering I’ve learned a good deal about human behavior. My regular recommendation has been a low-cost S&P 500 index fund.

To their credit, my friends who possess only modest means have usually followed my suggestion. I believe, however, that none of the mega-rich individuals, institutions or pension funds has followed that same advice when I’ve given it to them.

Instead, these investors politely thank me for my thoughts and depart to listen to the siren song of a high-fee manager or, in the case of many institutions, to seek out another breed of hyper-helper called a consultant.«

BERKSHIRE HATHAWAY INC. | 2016 | ANNUAL REPORT

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