6 min
Unser Geld ist da, um Leistungen durch Raum und Zeit zu transportieren. Es ist nicht dazu gedacht ihren Wert zu bewahren.
Wir können unsere wirtschaftlichen Angelegenheiten auf drei Weisen abwickeln:
1. Ohne Zahlungsmittel
Man tauscht Zug-um-Zug und beim zeitversetzten Tausch mittels Kredit (ich baue mit dir ein Boot, dafür bekomme ich in Zukunft von dir Fische). So war es vor etwa 5.000 Jahren, als Menschen noch in überschaubaren Verbänden lebten. Soziale Zwänge garantierten, dass Kreditnehmer ihre Schulden auch immer begleichen würden. Funktioniert sehr elegant, aber verhindert die Entstehung von Städten.
In größeren Verbänden sind die menschlichen Beziehungen abstrakter. Man braucht also einen Ersatz für das Vertrauen in soziale Zwänge. Da es damals, und bis vor wenige hundert Jahre, keine Staatsgebilde mitsamt Rechtswesen gab, dem jeder vertrauen wollte, musste man das Vertrauen mit Fakten ersetzen.
2. Mit Zahlungsmittel, die selbst einen (intrinsischen) Wert
Wenn man sich auf Vertrauen nicht verlassen kann, muss man Kreditgeschäfte in Zug-um-Zug Geschäfte umwandeln. Das funktioniert ab besten, indem man einen „Agenten“ zwischenschaltet. Dieser Agent musste von allen Beteiligten als wertvoll angesehen werden und er sollte außerdem möglichst leicht teil- und transportierbar, sowie gut lagerbar sein. Das war zu Beginn alles Mögliche, bei den Sumerern vor etwa 5.000 Jahren war es Gerste. Ziemlich bald waren es Edelmetalle, bis sich schließlich Gold durchsetzte.
Der wesentliche Vorteil eines solchen Agenten liegt darin, dass man durch ihn mit jedem beliebigen Menschen, auch überregional, jedes beliebige Produkt handeln konnte. Man braucht sich nicht nur nicht vertrauen, man brauchte sich nicht einmal sympathisch sein.
Sein wesentlicher Nachteil war der, dass er einen Prozess um eine Dimension komplexer machte. Und immer, wenn etwas komplexer wird, wird es auch labiler. Aus dieser Labilität resultierende Probleme machten den Menschen immer wieder zu schaffen, aber sie waren bis vor einige hundert Jahren nie so groß, dass sie die Vorteile überwogen hätten. Erst als etwas geschah, das in der Menschheit bis dahin noch nie geschehen war (oder nie geschehen konnte, weil das erforderliche Zahlungsmittel fehlte), stieß dieser „Agent“ an seine Grenzen.
Ab dem ausgehenden Mittelalter expandierte die Wirtschaft enorm und explodierte mit einsetzten der industriellen Revolution. Sehr grob gerechnet wuchs die globale Wirtschaft in den ersten 1.700 Jahren unserer Zeitrechnung nur um das Vierfache, also unmerklich. Die Situation war eine andere, als sie in den darauffolgenden 300 Jahren um das Zehnfache wuchs, und wurde unhaltbar, als sie sich schließlich im 20. Jahrhundert nochmal verzehnfachte. Denn der „Agent“ war praktisch fixiert. Er musste begrenzt sein, weil er genau deswegen auch als wertvoll angesehen wurde.
Theoretisch hätte man den „Agenten“ beibehalten können, praktisch machte sich jedoch ein wesentliches Problem, neben vielen anderen Problemen in den unterschiedlichsten Bereichen, bemerkbar: Wenn eine Wirtschaft wächst, ihr Zahlungsmittel aber fixiert ist, dann werden Menschen alleine dadurch reicher, dass sie ihr Geld einfach nicht ausgeben, sondern sparen. Also nicht in Immobilien, Wertpapiere oder anderer Werte investieren, die den Menschen einen Nutzen bringen, sondern tatsächlich zur Seite legen. Und je besser das funktioniert, desto größer der Anreiz den „Agenten“ nicht zu verwenden, sondern zur Seite zu legen, also zu sparen.
Das kann nur jenen recht gewesen sein, die viele dieser „Agenten“, also Gold, besaßen. Alle anderen werden schnell erkannt haben, dass das weder Sinn der Sache ist, noch Zweck eines Zahlungsmittels sein kann und schon gar nicht gerecht ist.
Zum Glück waren die Menschen mit Beginn des 20. Jahrhunderts schon soweit zivilisiert, dass sie das Vertrauen in soziale Zwänge nicht mehr mit einem „Agenten“ umgehen mussten, sondern durch ein Vertrauen in etwas Anderes ersetzen konnten.
3. Mit Zahlungsmittel die keinen eigenen (intrinsischen) Wert besitzen
Dieses Andere ist das moderne Staatswesen samt entsprechendem Rechtswesen. Klar, es ist nicht perfekt. So wie auch das Vertrauen in soziale Zwänge nicht perfekt war. Aber es ist um Potenzen effizienter und effektiver als Geld, das sich auf einen anderen Wert (Gerste, Silber, Gold, Muscheln, was auch immer) bezieht.
Weil es alle Vorteile eines Zahlungsmittels bietet, also als Verrechnungseinheit dient und Werte über Zeit und Distanz transportieren kann. Und zwar praktisch kostenlos. Aber nicht die Nachteile eines Warengeldes, das seinen Wert aus einem zugrundeliegenden Wert bezieht.
Der wesentliche Denkfehler, der allgemein begangen wird ist, dass Geld heuten nichts wert ist, weil es durch keine realen Werte gedeckt ist. Wie schon gesagt, Zahlungsmittel sind dann besonders gut, wenn sie eben keinen eigenen Wert besitzen. Dass sie über Jahrtausende hinweg einen besaßen war kein Vorteil, sondern ein notwendiges Übel. Ein Übel, das klein genug war, solange die Wirtschaft nicht wuchs.
Die fehlgeleiteten Schlüsse, die aus diesem Denkfehler entstehen sind beispielsweise
Wir werden gezwungen an einen abstrakten Wert zu glauben. (und oft daran anschließend: Sobald ausreichend viele Menschen nicht mehr daran glauben, bricht das Geldsystem zusammen.)
Im Gegenteil: Glauben muss man an abstrakte Werte, wie jenen von Gold (oder Kunst, Bitcoins oder NFTs). Zugegeben, der Glaube an Gold ist bei uns sehr tief verankert, wird nicht so bald verschwinden und kann, weil es eben Glaube ist, nicht mit sachlichen Argumenten entkräftet werden. An den Wert unseres Geldes heute brauchen wir nicht zu glauben, weil es keinen Wert besitzt und auch nicht besitzen soll. Geld soll unser Wirtschaften ermöglichen, und dazu müssen wir darauf vertrauen, dass unsere Institutionen stabil aufgebaut sind und effektiv ablaufen. Im Kern, dass Schuldner ihre Schulden begleichen werden. Zugegeben, Vertrauen kann niemals so robust sein wie Glauben, dafür ist es aber offen für sachliche Argumente. Die Strukturen und Prozesse können überwacht, kritisiert und verbessert werden.
Und wenn es nun doch schief geht? Dann wird es natürlich eine Schockwelle geben (die niemand kennenlernen möchte), aber es wird nicht das Ende der Welt sein. In mutigen Momenten traue ich mich sogar zu behaupten, dass die Schockwellen schon nach Monaten verebbt sein können. Die Hälfte der Bevölkerung wird nicht einmal einen Vermögensverlust erleiden, weil sie gar kein Geldvermögen besitzt. Wenn jedenfalls Herrscher mit ausreichend Macht (oder Ignoranz) ausgestattet waren, waren sie immer wieder verzweifelt genug, um „Geld“ auf irgendeine Weise aus einem Hut zu zaubern. Dazu haben sie kein modernes Kreditwesen gebraucht und es hat sie auch nie eine strikte Goldwährung davon abgehalten. Unser Vorteil heute ist der, dass Macht noch nie so dezentral war.
Uns wird ein Geld aufgezwungen, das gezielt (oder ungewollte, weil die Notenbanken schlicht unfähig sind) kontinuierlich an Wert verliert, und zwar dramatisch. Das ist unverschämte verdeckte Enteignung.
Geld soll unser Wirtschaften ermöglichen, nicht Vermögen konservieren oder sogar vermehren. Dafür gibt es Unmengen andere Möglichkeiten, wie Edelmetalle, Edelsteine, Kunst, Sammlergegenstände und, seit neuestem, Bitcoins1Etherum und ähnliche Währungen, sowie sogenannte „Shitcoins“ sind nicht angesprochen. Erstere, weil bei diesen die Blockchain-Technologie im Vordergrund steht, Letztere, aus Gründen. und NFTs. Sollte sich digitale Assets tatsächlich bewähren, spricht, im Vergleich zu altbekannten Möglichkeiten, vieles für sie. Als Wertanlage und Notgroschen, nicht aber als Zahlungsmittel.
Entscheidet man sich trotzdem für die liquidesten Sicherheitspolster, nämlich Bargeld, dann zahlt man für diesen „Missbrauch“, bzw. dafür, dass man an den Vorteilen der Liquidität festhalten möchte, in Form von Inflation.
Der Staat soll sich aus dem Geldwesen heraushalten. Das gibt ihm unangemessen viel Macht und außerdem kann er es eh nicht
Stimmt, Geldwesen ist mit viel Macht verbunden, aber mit derselben Logik müsste man auch verlangen, dass der Staat sich grundsätzlich aus unserem Leben heraushält, und auch sein Machtmonopol aufgibt. Außerdem wird diese Macht irgendjemand übernehmen, wenn der Staat sie aufgibt. Jemand, der das beste Geld zur Verfügung stellen kann, und wer das sein wird, wird eine Überraschung sein. Wir haben heute das Glück, dass diese Macht dezentral und kontrolliert ist. Die eigentliche Frage, die viel zu selten angesprochen wird, ist eine andere: Wie kann es sein, dass eine so große Macht, die möglicherweise größer ist als jene von Regierungen und Parlamenten, von Institutionen ausgeübt werden, die nicht demokratisch gewählt werden?
Ob der Staat es kann, ist tatsächlich fraglich. Es ist höchstens ein wenig übertrieben wenn man behauptet, dass sich die Wissenschaft und Erfahrung im Bereich Geldwesen ungefähr dort befindet, wo sich die Medizin im Mittelalter befand. Die Alternative, nämlich “Warengeld”, ist im Vergleich dazu dennoch mit weitaus größeren Nachteilen verbunden. Wünschenswert in dieser Hinsicht ist jedenfalls eine intensivere Aufklärung sowohl der gewählten Entscheidungsträger, als auch der allgemeinen Bevölkerung.
Abschließend, aus gegebenem Anlass: Wenn man über die Einführung von Bitcoins als national Währung, wie in El Salvador am 7.11.2021 geschehen, jubelt, dann hat man die Funktionen und Aufgaben von Geld nicht ausreichend verstanden. Es ist nicht der Start in eine neue Ära des Geldwesens, sondern die offizielle Verkündung des Zusammenbruchs des Staatswesens. Bitcoin kann in solchen Situationen sehr hilfreich sein, aber es bezeugt den Rückfall in dunkle Epochen und ist wahrlich kein Grund zu feiern.