“Das bewusste Gehirn denkt, es sei das Oval Office, aber in Wirklichkeit ist es das Pressebüro, das eilig plausible Erklärungen für anderswo getroffene Entscheidungen zusammenstellt.”
_Rory Sutherland
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Die meisten Menschen, selbst die klügsten, machen in Bezug auf Geld zwei schwerwiegende Fehler:
Sie gehen davon aus, dass jeder normale Mensch fähig sein muss, mit Geld gut umzugehen. Jedenfalls spätestens, sobald er sein eigenes Geld verdient.
Und sie glauben, dass Geld glücklich machen kann. Übrigens, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Ich vermute die meisten Menschen denken insgeheim, dass sie mit “richtig viel Geld” sicher glücklicher wären, als mit nur „viel Geld“.
Beide Fehler kommen wohl daher, dass wir Menschen mit unserer Energie effizient umgehen. Was keine schlechte Idee ist, und sicher einer der Hauptgründe dafür ist, dass wir immer noch auf dieser Welt existieren. Haben wir eine Herausforderung einmal gemeistert, betrachten wir das Thema als erledigt. Wir denken nicht jedes Mal erneut darüber nach, wie ähnliche Herausforderungen zu bewältigen sind, sondern wiederholen das erfolgreiche Verhalten.
Bei Geld läuft es meist so ab: Nachdem man fast ein Drittel seines Lebens damit verbracht hat zu lernen, wie man Geld verdient, also ein „produktives Mitglied der Gesellschaft“ zu werden, muss man mit seinem begrenzten Einkommen einen Haushalt führen. Miete zahlen, Nebenkosten nicht vergessen, nicht nur an Lebensmittel, sondern auch an Reinigungsmittel denken, und so weiter. Nicht ganz einfach, aber auch keine Hexerei.
Entscheidend dabei ist, dass man in Wirklichkeit keine Entscheidungsfreiheit hat. Das gesamte Einkommen wird mehr oder weniger ausschließlich für Grundbedürfnisse verwendet, bzw. für das, was man als Grundbedürfnisse ansieht. Man hat jedoch die erste große Herausforderung des eigenen Wirtschaftslebens bewältigt, die sich vielleicht sogar als die schwierigste anfühlt. Obwohl die ersten Schritte eigentlich die einfachsten sind, weil sich die meisten Entscheidungen eben zwangsweise ergeben, gehen wir davon aus, dass wir nun auch für die nächsten Schritte gewappnet sind.
Was im Grunde ja auch stimmt. Die meisten Menschen bewältigen natürlich alle weiteren Schritte. Die Situation ist ab einer gewissen Einkommenshöhe jedoch eine ganz andere: Ausgaben bedingen sich irgendwann nicht mehr durch unausweichliche Notwendigkeiten, sondern sind das Ergebnis individueller Entscheidungen. Wenn wir uns mit diesen Entscheidungsprozessen dann nicht intensiv auseinandersetzten, sondern weiterhin keine besonderen Gedanken an unsere Ausgaben verlieren, dann wird diese Aufgabe sicherlich abgenommen. Interessenten dafür gibt es unendlich viele.
Menschen sind in der Regel überzeugt, dass sie wissen, was sie brauchen und wollen. Dass sie daher natürlich wissen, wie sie mit ihren Geldangelegenheiten umzugehen haben. Es wäre absurd, wenn nicht sogar beleidigend, etwas anderes anzudeuten.
Dabei wird jedoch vergessen, dass wir als Menschen, denen weder über Geld noch über unser Konsumverhalten jemals Genaueres beigebracht wird, einer Konsumindustrie gegenüberstehen, die unvorstellbare Mengen an Ressourcen einsetzt, um unseren Umgang mit Geld und unser Konsumverhalten zu steuern.
Die Frage ist also, ob man die oben angeführten weiteren Schritte mit etwas mehr Information, Finanzbildung und entsprechender Erfahrung nicht viel besser schaffen könnte. Und Geld möglicherweise sogar als etwas Positives sehen könnten, und nicht als etwas Belastendes, von dem immer zu wenig vorhanden ist.
Unser Essverhalten ist da ein ganz guter Vergleich. Noch vor nicht allzu langer Zeit waren wir überzeugt, dass unser Körper wohl wissen wird, welche Nahrung er benötigt. Es wäre uns absurd vorgekommen und wir hätten es vielleicht sogar als Beleidigung angesehen, wenn jemand etwas anderes angedeutet hätte. Und Übergewicht galt höchstens als Beweis für ein erfolgreiches Leben.
Nach genauerer Betrachtung, entsprechender Bildung und breiter Aufklärung weiß heute jedoch jedes Kind, dass die Kombination von Fett und Zucker, unsere Gesundheit schadet. Obwohl sie unser Körper zum fressen gerne hat!
Es besteht offensichtlich ein entscheidender Unterschied zwischen der Notwendigkeit, Grundbedürfnisse decken zu müssen, und der Möglichkeit, beliebige Wünsche zu erfüllen. Wenn wir diesen Unterschied beim Essen nicht berücksichtigen, werden wir im besten Fall einige Jahre unseres Lebens einbüßen. Im Fall von Geld führt dies dazu, dass wir, unabhängig von der Höhe unseres Einkommens, mit unserer finanziellen Situation niemals zufrieden sein werden.
Zufrieden, nicht glücklich! Glücklich kann Geld nämlich nicht machen. Es kann „nur“ verhindern, dass man unglücklich ist. Dieser gewaltige Unterschied bleibt jedoch meist unbemerkt, weil er sich, so wie in der vorherigen Situation, schleichend entwickelt. Es beginnt damit, dass man sich Sorgen macht, ob man das, was man als Grundbedürfnisse ansieht, decken kann. Ist das nicht der Fall, fühlen wir uns unglücklich, gestresst oder sogar verzweifelt. Je mehr wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, desto weniger unglücklich sind wir. Und es ist Geld das uns dazu verhilft.
Der springende Punkt ist, dass wir Menschen keinen Unterschied machen zwischen „weniger unglücklich“ und „mehr glücklich“. Was uns von der Reise von Verzweiflung zur Erfüllung aller Grundbedürfnisse bleibt ist die Einsicht, dass wir uns mithilfe von Geld besser fühlen. Nur wenn wir diesen Prozess bewusst wahrnehmen, können wir erkennen, dass Geld immer nur negative Gefühle neutralisiert hat. Bei genauem Hinsehen bemerken wir, dass uns Geld auf dieser Reise nie glücklich, sondern immer nur weniger unglücklich gemacht hat.
Die Reise von „zufrieden“ Richtung „glücklich“, vor der jeder hoffentlich irgendwann steht, ist weitaus schwieriger und erfordert ganz andere Fähigkeiten und Qualitäten. Die meisten Menschen erkennen den Unterschied nie und suchen ihr Glück weiterhin in Dingen, die man mit Geld erwerben kann. Das ist traurig und endet meist umso tragischer, je mehr Geld im Spiel ist.
Mein Lieblingszitat dazu stammt von Jim Carrey: “Ich wünschte jeder könnte reich und berühmt werden und alles tun, wovon er jemals geträumt hat, damit er sieht, dass das nicht die Lösung ist.”
Zusammengefasst: Der Umgang mit Geld ist anfangs einfach, da es keinen nennenswerten Entscheidungsspielraum gibt. Mit steigendem Einkommen wird Geld jedoch eine sehr komplizierte, aber auch faszinierende und facettenreiche Angelegenheit. Abgesehen von einer schwindend kleinen Minderheit, die das Glück hat, im Familienkreis viel darüber zu sprechen, wird niemand jemals darauf vorbereitet.
Das zu ändern wird immer ausschließlich bei uns selbst liegen, denn niemand sonst zieht einen Nutzen daraus, wenn wir es tun. Sie sollten das unbedingt tun. Es stehen heute viele gute Möglichkeiten frei zur Verfügung. Und tauschen Sie sich über das Thema möglichst viel und möglichst oft aus. Am hilfreichsten ist ein kompetenter Finanzberater. Falls Sie jemals einen finden, lassen Sie ihn nie wieder gehen und empfehlen Sie ihn ihren liebsten Freunden weiter. Sie sind nämlich sehr selten. Die Kompetenten.
Unglücklich sein kann man leicht durch Geld beseitigen. Glücklich sein ist viel schwieriger. Weil Lebewesen, jetzt wo ich genauer darüber nachdenke, wohl gar nicht dafür geschaffen sind, glücklich zu sein. Effizient wäre es doch, Energie dafür aufzuwenden, Unglück zu beseitigen, also alle Grundbedürfnisse zu stillen, und es dann dabei zu belassen. Das Streben nach Glück ist wahrscheinlich ein sehr neues Konzept und außerdem ein Luxus, den nur wir Menschen kennen. Nun, wie auch immer, es wird sicher einen guten Grund geben, warum wir danach streben. In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen von Herzen, dass sie das größtmögliche Glück in ihrem Leben finden. Und dass alle bald erkennen, dass die Suche nach diesem Glück in Geld zweifellos vergeblich ist.