„Der Preis für Bildung wird einmal bezahlt. Der Preis für Unwissenheit wird für immer bezahlt.“
Ted Nichols
7 min
Es sind weniger als 100 Jahre vergangen, seit körperliche Anstrengung noch ein Zeichen für Armut war. Klar, Turnvater Jahn brachte seine Lehren schon im 19. Jahrhundert unter die Jugend und die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit fanden schon 1896 statt. Aber diese neue Entwicklung war noch bis weit in das 20. Jahrhundert einer Elite vorbehalten. Nur diese hatte ausreichend Zeit und Energie, um sich den neuentdeckten antiken Idealen zu widmen, und dementsprechend ihren gesunden Geist in einen gesunden Körper betten zu wollen.
Alle anderen, also der überwiegende Großteil der Bevölkerung, musste sich bewegen, um zu überleben. Für diese Massen gab es keine Überlegungen zu gesund/ungesund, ihr primäres Ziel war einfach das Überleben. Konnte man mehr Energie zu sich nehmen, als man zum Überleben brauchte, so war das ein Zeichen des Wohlstands. In vielen Regionen der Welt ist das auch heute noch so.
Je reicher die allgemeine Bevölkerung wurde, desto weniger bewegte sie sich. Verständlicherweise, nachdem die breite Masse über Jahrtausende körperlich ausgebeutet wurde, wollte auch sie endlich einmal körperliche Trägheit genießen. Gesundheit war noch immer kein besonderes Thema. Die Lebenserwartung hatte sich durch den stark gestiegenen Wohlstand ohnehin unfassbar stark erhöht. Ziel wird wohl weniger ein langes (bzw. noch längeres) Leben gewesen sein, sondern eher ein möglichst genussvolles, bzw. bequemes.
So war es auch leicht, die Menschen nicht nur von einer entsprechenden Bildung fern zu halten, sondern ihnen auch “gesundheitsfördernde” Produkte zu verkaufen, die heute auch die „bildungsfernsten“ Schichten als fragwürdig entlarven können.
Im letzten Drittel des letzten Jahrhunderts waren die Menschen (der „industrialisierten Welt“) soweit, dass sie im Allgemeinen wussten, was gut für Ihre Gesundheit ist, und was sie eher meiden sollten. Das entsprechende Wissen wurde, und wird noch immer, immer besser, aber das ist nicht mehr das Problem.
Wir Menschen sind erst seit weniger als 10.000 Jahren keine Jäger und Sammler mehr. Unsere „tiefen“ Instinkte sagen uns, dass wenig Bewegung in Verbindung mit viel Zucker und Fett das Beste ist, was uns passieren kann. Um gesund zu sein, müssen wir daher heutzutage unsere „tiefen Instinkte“ bewusst überwinden und uns mehr bewegen als wir wollen und kalorienärmer ernähren als es uns schmeckt.
Dass das so ist, weiß heute praktisch jeder Mensch. Viele Menschen bewegen sich trotzdem nicht regelmäßig. Meistens, weil sie akut größere Probleme haben, als ihre Gesundheit, und außerdem ohnehin überzeugt sind, dass ein bisschen mehr Bewegung nichts Wesentliches an ihrem allgemeinen Wohlbefinden ändern kann. Wenig überraschend ist es vor allem die ärmere Hälfte der Bevölkerung, die an den Folgen von zu wenig Bewegung und schlechter Ernährung leidet.
Die andere Hälfte hat es deutlich leichter, denn weniger Geldsorgen in Verbindung mit mehr Geld eröffnet hier viele Möglichkeiten. Mehr sorglose Freizeit, viele verschiedene Sportarten, persönliche Trainer und Coaches, etc. Und dennoch schafft es nur eine Minderheit, sich ausgewogen zu ernähren und regelmäßig zu bewegen. Immerhin befinden sie sich vermutlich näher am erwünschten „Zielwert“.
Ein Teil dieser anderen Hälfte schafft es interessanterweise sich den „niederen Instinkten“ radikal zu widersetzten, fällt jedoch den „höheren“ zum Opfer. Jenen „höheren“ Instinkten, die ihm unbewusst vermitteln, dass er durch Sport seinen Erfolg und seine Macht steigern kann. Was ja auch oft stimmt, allerdings wird dadurch die Gesundheit nicht unterstützt, sondern es passiert auf Kosten der Gesundheit. Wenn man über lange Zeit und bis ins hohe Alter nach Höchstleistungen strebt, dann wird man möglicherweise bemerkenswert fit, der allgemeine Gesundheitszustand wird jedoch weniger bemerkenswert sein.
Nicht selten führt übertriebener Ehrgeiz zu schweren und nachhaltigen Gesundheitsschäden. Bereitwillig begleitet werden diese Menschen von persönlichen Trainern, Coaches, anderen Spezialisten und einer gewaltigen Sportartikelindustrie.
Letztere überschlägt sich jedes Jahr mit Neuentwicklungen und stellt mit Unterstützung der einschlägigen Medien sicher, dass die Sehnsüchte ihrer Klientel lebendig bleiben und ihre grenzenlosen Bedürfnisse befriedigt werden.
Bezeichnend für diese Entwicklung sind Trendsetter, wie beispielsweise jener Baron de Coubertin, der 1896 die Olympischen Spiele wiederbelebte. Er1siehe hierzu den Artikel auf Wikipedia machte sich über Sportmediziner und Pädagogen lustig, die gemäßigte Leibesübungen propagierten. Er hielt ihrem Mens sana in corpore sano sein eigenes Mens fervida in corpore lacertoso („Ein feuriger Geist in einem muskulösen Körper“) entgegen. Sein Ideal war der débrouillard (Draufgänger), der Widerstände überwindet und im Sport auf ein Leben als Führungskraft vorbereitet wird.
Abgesehen von all diesen Menschen gibt es schließlich noch jene, die Bewegung, bzw. Sport zu ihrem Beruf gemacht haben. Sie bewegen sich nicht, weil es Spaß macht oder gesund ist, sondern weil sie davon leben wollen. Das Ziel dieser Menschen ist es nicht, durch Bewegung ihre Gesundheit zu fördern, sondern möglichst reich und womöglich sogar durch Ruhm unsterblich zu werden.
Begleitet werden sie dabei von unzähligen Trainern, Coaches, Beratern, Wissenschaftlern, und nicht zu vergessen: Funktionären. Von den Millionen Menschen, die sich auf diese Weise mit Sport befassen
- erreichen vermutlich weniger als 1.000 Sportler ihr angestrebtes Ziel
- verdienen alle anderen bestenfalls einen durchschnittlichen Lebensunterhalt, für den Großteil ist Sport ein (nicht selten gewaltiges) Verlustgeschäft
- haben alle möglichen Begleiter ihr Einkommen am besten abgesichert, und verdienen nicht selten beachtliche Summen
Was das alles mit Geldanlage und Vermögen zu tun haben soll? Überraschend viel, ich knüpfe gleich hier an:
Es gibt Menschen, die sich mit Geldanlage nicht beschäftigen um ihre Lebensumstände zu verbessern, sondern um davon zu Leben. Auch hier gibt es unendlich viele, die es versuchen, schätzungsweise weniger als 1.000 die es tatsächlich schaffen und eine Unmenge an „Begleitern“, die die einzigen sind, die mit Sicherheit profitieren. Nicht selten sogar beträchtlich.
Dann gibt es eine Gruppe von Menschen, die meist beruflich sehr erfolgreich, oder aus irgendwelchen Gründen außerordentlich wohlhabend sind. Sie sind einerseits überzeugt, dass sie nicht nur in ihrem eigenen Beruf, sondern in jeder Problemstellung ausgewiesene Experten sind. Andererseits sind sie es gewohnt, grundsätzlich überdurchschnittlichen Service, sowie Zugang zu limitierten Produktangeboten zu erhalten.
Diese Gruppe ist der Grund dafür, dass „Private Banking“ als Geschäftsmodell so profitabel ist. Diese Gruppe will nicht wahrhaben, dass, so wie im Sport, auch an den Kapitalmärkten nur eine winzige Minderheit2hier 10 der prominentesten Vertreter, und wieviel sie im “Katastrophenjahr” 2022 verdienten extrem gut verdient, und der Rest im besten Fall durchschnittlich3AN den Kapitalmärkten! MIT den Kapitalmärkten, also als Fondsmanager, Berater, oder sonstiger Experte verdienen sehr viele Menschen sehr gut. Die Berater und Betreuer auch dieser Gruppe sind primär Verkäufer. Sie unterscheiden sich von jenen der „breiten Mitte“, nur dadurch, dass sie auch wissen, wie man sehr komplizierte, exotische („leveraged butterfly spread mit kick-in oder knock-out“ gefällig?) sowie vermeintlich schwer zugängliche Anlageprodukte (everybody´s darling: „Private Equity“) verkaufen kann.
Nicht alle Mitglieder dieser Gruppe lassen sich wie „der Kaiser in seinen neuen Kleidern“ an der Nase herumführen. Manche vertrauen grundsätzlich nur sich selbst, haben Bauchpinseleien nicht nötig und sind überzeugt, dass ihre Fähigkeiten ausreichen, um an den Kapitalmärkten überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Sie erzählen gerne von ihren Erfolgen wenn die Börsen boomen, verlieren wenige Worte über das Thema wenn die Börsenzeiten schwierig sind, und vermeiden es tunlichst, die Nettorendite ihrer Anstrengungen zu berechnen.
Grenzt man die Erfolgsmessung auf den eigentlichen Zweck ein, also die Nettorendite, so ist diese Gruppe nicht erfolgreicher als die breite Masse, verdient also unterdurchschnittlich und macht mit der Kapitalanlage somit ein Verlustgeschäft. Ähnlich wie der oben beschriebene überehrgeizige Amateursportler. Es ist, bestenfalls, in Summe nur dann ein profitables Geschäft, wenn man die dem Ego schmeichelnde Sonderbehandlungen durch die Privatbank einrechnet.
Wie im Sport sind auch hier die Medien begeisterte Helfer in der Sache. Sensationen, Skandale und natürlich alles was schnell und kurzfristig ist. Eben alles das, mit dem unser Echsengehirn am profitabelsten gefüttert werden kann.
Bei der nächsten Gruppe geht es um jene Menschen, deren finanzielle Bildung und Tradition besagt, dass es purer Leichtsinn ist, wenn man sich mit etwas beschäftigt, das über ein Sparbuch und eine Hypothek hinausgeht. Kapitalmärkte sind Teufelszeug und nur den herrschenden Eliten vorbehalten. Die erfolgreichsten Mintglieder dieser Gruppe schaffen es immerhin, in ein-zwei Vorsorgewohnungen zu investieren
Und wenn man sich doch zu diesem Leichtsinn am Kapitalmarkt hinreißen lässt, dann nicht weil man sich angemessen informiert hat, sondern weil man dem Berater/Verkäufer aus welchem Grund auch immer vertrauen kann (!?). Sich selbst damit beschäftigen macht keinen Sinn, weil man ohnehin keine Chance hat, es mit der eigenen Intelligenz jemals zu verstehen (!?).
Viele Mitglieder dieser Gruppe schaffen es gerade einmal, nicht in finanziellen Nöten zu sein, oder gehören zur ersten Generation ihrer Familie, die keine finanziellen Nöte kennen. Verständlich, dass sie erst einmal gedankenlosen Konsum nach Möglichkeit auskosten wollen, bevor sie sich wegen klugem Umgang mit Geld Gedanken machen. Und schon gar nicht wegen vernünftiger Geldanlage. Abgesehen davon geht es bei ihnen vermeintlich ohnehin um viel zu geringe Beträge. Es wäre den ganzen Aufwand (und Verzicht!) gar nicht wert.
Womit dieser Teil der Bevölkerung nicht nur die Lieblingszielgruppe der Konsumindustrie, sondern auch der zu Vermögensberatern aufgewerteten Versicherungsverkäufer ist.
Den Abschluss bildet jener Teil der Bevölkerung, für den Geld kein „Mittel“ ist um Wünsche zu stillen, sondern eine „Bedrohung“. Jeder Gedanke an Geld ist mit Angst verbunden, weil davon nie genug da ist, um auch nur die absoluten Grundbedürfnisse zu befriedigen. Geld sinnvoll ausgeben, Sparen, Anlegen: das sind alles keine Kategorien für die Mitglieder dieser Gruppe. Die Größe dieser Gruppe ist auch heute noch, insbesondere in den reichsten Ländern, beschämend.
Das Resümee dieser Geschichte?
- Bei Geldangelegenheiten kann man sich, ganz ähnlich wie bei einer gesunden Lebensweise, nicht auf eigene Instinkte verlassen. Geld, Konsum und Kapitalanlage kennt die Menschheit, ähnlich wie Ernährung im Überfluss und „geistige“ Beschäftigung, erst seit einigen Jahrzehnten. Um in diesen Bereichen erfolgreich zu sein, muss man sich bewusst mit den Themen auseinandersetzten.
- Die wenigsten sind in diesen beiden Bereichen sonderlich erfolgreich. Getrieben von ihren Instinkten tun die meisten Menschen entweder zu viel, oder zu wenig.
- Sowohl bei der Gesundheit, als auch bei der Geldanlage hat man die größten Erfolgsaussichten, wenn man das Ganze möglichst einfach hält:
- Ausgewogene Ernährung mit naturbelassenen Nahrungsmitteln / breite Streuung der Anlageklassen mithilfe „naturbelassener“ Finanzinstrumente
- Regelmäßige, möglichst tägliche, Bewegung, wobei 30-60 Minuten zügiges Gehen vollkommen ausreicht4The world’s longest-lived people don’t pump iron, run marathons or join gyms. Instead, they live in environments that constantly nudge them into moving without thinking about it. They grow gardens and don’t have mechanical conveniences for house and yard work. / regelmäßig dem Drang widerstehen, etwas an der festgelegten Anlagestrategie zu ändern.
Geld soll, so wie Gesundheit, nicht zum Selbstzweck werden. Beide sind da, um unser Leben zu verschönern.