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Hervorragende Anlageverkäufer

Heute habe ich diesen Beitrag von @SchreiberDohms gelesen, und er geht mir nicht aus dem Kopf. Nicht nur, weil er beneidenswert amüsant zu lesen ist, oder wegen der so elegant verpackten Ladung Kritik. Es sind diese drei Punkte, die für mich herausragen: das Verkaufstalent der Union Investment allgemein und ihres langjährigen Chefs, Hans-Joachim Reinke, insbesonderes, die Leichtfertigkeit, mit der Anleger mit ihrem Vermögen umgehen, und schließlich meine Hoffnung, dass das alles doch auch eine positive Seite hat.

Der Mann, also der Chef der Union Investment, hat unbestritten ein besonderes Talent. Diese im o.a. Beitrag angeführten Zahlen können kein Zufall sein:

  • Die Zahl der laufenden Aktienfonds-Sparpläne hat sich binnen drei Jahren auf 1,1 Mio. Stück verdoppelt.
  • Das operative Ergebnis ist allein 2019 um 29% auf 650 Mio. Euro gestiegen, ein Rekordwert. Das ist annähernd DWS-Niveau – obwohl die DWS doppelt so groß ist wie die Union
  • Die Netto-Zuflüsse lagen bei 8,1 (!) Mrd. Euro alleine im Retail-Bereich und bei gut 19 Mrd. Euro insgesamt1Union Investment: 0% Frauen, 2% Gebühren, 100% Vertrieb

Dieser Erfolg wäre ohne des lang anwährenden 0%-Umfelds vermutlich nicht so groß, aber die anderen Anbieter haben dieses Umfeld auch im Rücken. Hinzu kommt, dass das typische Profil des Genobanken – Kunden weniger anspruchsvoll sein dürfte, wenn es um Kapitalanlagen geht. Bzw. diese Kunden nicht unbedingt jene sind, die sich gerne aktiv informieren. Die Union Investment versteht es offensichtlich, diesen Rückenwind zu nutzen. Ob nun gut für die Anleger, oder nicht, dort wird getan, was zu tun als richtig angesehen wird. Schließlich steht außer Frage, dass dieses Vorgehen vollkommen legal ist. Also: Ehre, wem Ehre gebührt.

Dennoch: Wie ist es möglich, dass Anleger dermaßen leichtfertig mit ihrem Vermögen umgehen? Mag sein, dass die meisten keine Ahnung vom Thema haben; auch, dass sich diese Anleger aufgrund des Umfelds irgendwann gezwungen sehen, am Kapitalmarkt zu investieren. Sich jahrelang blind (im Sinne von: ich kenne mich nicht aus und möchte mich auch nicht damit befassen) gegen Kapitalmärkte zu verschließen ist tragisch genug. Aber sich dann blind (ich will mich noch immer nicht befassen, muss aber etwas tun, also vertraue ich einem Berater Verkäufer) in das Abenteuer stürzen ohne auch nur eine Rechnung anzustellen? Weil etwa „kontrolliert“ im Namen steht?

Was sicher hilft ist, dass es sich hauptsächlich um Sparpläne handelt. Bei solchen wird nämlich nicht nur der Performancevergleich erschwert, sondern sie sind auch ideal, um Spesen zu verschleiern. Dass der Ausgabeaufschlag (gibt es tatsächlich noch!) dabei gar nicht so stark ins Gewicht fällt (auch wenn er 4% ausmacht!), habe ich erst jetzt erkannt – wohl, weil er eben nur einmal anfällt. Aber immerhin 4% ! Und den bekommen die Vertriebspartner der Union Investment, mit den Worten von @SchreiberDohms, bestimmt: „Und die Geno-Banken? Kriegen die dazugehörigen Ausgabeaufschläge zwischen 3% und 5%. Diese Aufschläge am Schalter etwa bei einem Riester-Fonds wegzuverhandeln gleicht für Geno-Kunden typischerweise dem Versuch, einen Weltkriegsbunker mit einem Teelöffel abzutragen.“1

Also 4% Agio und eine Performance über die letzen 5 Jahre von 1,65% p.a. Im Gegensatz dazu der Markt, abgebildet durch 75% Anleihen und 25% Aktien (aber „unkontrolliert“) brachte eine Rendite von 4,27% p.a.

Weder das mutige Agio, noch die 3x niedrigere Rendite werden dem Anleger anfänglich auffallen. Eben, weil die monatlichen Raten stärker ins Gewicht fallen, als die Zinseszinsen. Erst nach etwa 15 Jahren wird es auffällig, wenn die „kontrollierte“ Anlage um annähernd 30% weniger verdient hat, als der Markt. Bei einer monatlichen Rate von €250 (in Summe €45.000) kommt man auf eine Differenz von satten €13.600.

Bereinigt um den Effekt der Ratenzahlung wird die Differenz heftiger. Zahlt man die €45.000 zu Beginn der Laufzeit ein, so beläuft sich die Differenz schon auf knapp 55%, oder €30.000.

Die große Überraschung kommt, wenn man nach 30 Jahren die Entwicklung seiner monatlichen Ersparnisse  betrachtet und bemerkt, dass das Ergebnis der „kontrollierten“ Verwaltung nur €113.000 beträgt, während der einfache Markt €182.000 hergab. Um €70.000, bzw. ganze 60% mehr. Eine Differenz, die nicht weit von dem entfernt ist, was über 30 Jahre eingezahlt wurde (€90.000).

Um den Effekt der Ratenzahlung bereinigt (was dem einzelnen Anleger zwar nichts bringt, aber aufzeigt, was sich solche Anbieter abschneiden) sieht es noch um einiges schlimmer aus. Legt man €90.000 über 30 Jahre an, so bekommt man hier €140.000 und dort €320.000. Der Fonds hat um 130% weniger verdient, als der einfache Markt, ein Minus von €180.000.

Das Doppelte vom anfangs eingezahlten Betrag. Die Rendite beträgt 1,5% p.a., was nach Abzug der Inflation im besten Fall einem Werterhalt entspricht. Obwohl der Anleger das Risiko der Kapitalmärkte eingegangen ist, und abgesehen davon, dass der Anbieter ganze 2x mehr verdient hat. Ohne Risiko.

Bleibt die Hoffnung, dass das alles auch eine positive Seite hat. Zum Beispiel, dass das vorherrschende Zinsumfeld in Verbindung mit dem Verkaufstalent eines Herrn Hans-Joachim Reinke und seiner Union Investment dazu führen, dass sich Anleger endlich mit Kapitalmärkten beschäftigen. Problematisch ist, dass die Märkte in absehbarer Zukunft vermutlich nicht so viel abwerfen werden, wie bisher. Glücklicherweise zählt der „Privatfonds Kontrolliert“ nicht zu den schlechtesten seiner Art. Die Vertriebsweise verdient auch keinen Preis, dennoch ist sie bei weitem nicht die verwerflichste. Es bleibt die Hoffnung, dass nicht alle Anleger in wenigen Jahren ihre Anlagen verärgert auflösen. Ein Teil von ihnen wird sogar irgendwann nachrechnen, ihre Anlage neu überdenken und sich zu begeisterten Verfechterinnen der Kapitalmärkte wandeln. Und sei es erst nach 30 Jahren, wenn sie ihrem Nachwuchs von ihren Erfahrungen erzählen. Damit wenigsten der Nachwuchs es besser macht.

Es besteht also Grund, Herrn Hans-Joachim Reinke und seiner Union Investment in gewisser Weise dankbar zu sein. Für Erfolge, wie
„Nimmt man den Union-Gesamtzufluss von 19,4 Mrd. Euro, dann hat die Union Investment über ihre Vertriebspartner (also vor allem über die Volks- und Raiffeisenbanken) zuletzt alle sechs Wochen so viel Geld eingesammelt, wie der Robo-Advisor-Überflieger Scalable Capital seit Gründung 2014 insgesamt.“
Oder: „Zum Flaggschiff-Produkt seines Hauses hat die Union den „Privatfonds Kontrolliert“ gemacht, der binnen weniger Jahre auf 19,7 Mrd. Euro (!) angewachsen ist, was zwei Drittel des deutschen Retail-ETF-Markts entspricht.“(Hervorhebung d. Verfassers)

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