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Backgammon, Börse und Langeweile

Spiele kann man grob in drei Kategorien einteilen: Reine Glücksspiele, wie Würfeln (Craps, Hazard) oder Roulette, bei denen ausschließlich Glück eine Rolle spielt. Spiele, bei denen ausschließlich Können ausschlaggebend ist, wie etwa Schach. Und sogenannte Geschicklichkeitsspiele, bei denen das Ergebnis sowohl von Glück, als auch von Können bestimmt wird, wie Poker, oder eben Backgammon.

Bei letzteren gibt es faszinierende Aspekte, die man auch an den Kapitalmärkten findet. Beschäftigt man sich ausreichend lange und aufmerksam genug mit den Kapitalmärkten, wird man erkennen, dass es Aspekte wie diese sind, die für den Erfolg weitaus maßgeblicher sind, als jegliche Finanzanalysen, Zahlenmodelle oder Prognosen. Nicht zufällig sind die erfolgreichsten Anleger und Händler leidenschaftliche PokerBridge-, und Backgammonspieler.

Zwei solcher Aspekte erlebte ich kürzlich ganz unerwartet mit meinem Sohn.

Es war einer dieser heißen griechischen Nachmittage, an denen sich bestenfalls Touristen oder Hunde auf den Straßen verirren. Die meisten anderen kennen die Vorzüge eines schattigen Platzes zu dieser Tageszeit. Gönnen sich einen Mittagsschlaf, genießen die Gesellschaft von Freunden bei einem Kaffee oder spielen Backgammon. Ich tat kürzlich letzteres mit meinem Sohn, der in wenigen Jahren Teenager wird, und sich dabei erfreulich geschickt anstellt (beim Lernen des Spiels, nicht beim Teenagerwerden)

Er hatte das Spiel in den etwa zehn Stunden, die er es mittlerweile gespielt hatte, so weit begriffen, dass es für mich nicht mehr nur mühsam, sondern manchmal sogar spannend war. Ich selbst habe Backgammon schon mehr als 5.000, wenn nicht sogar mehr als 10.000 Stunden gespielt.

Es ergab sich nun wieder einmal die Situation, dass mein Sohn mit einer bestimmten Würfelkombination (Backgammon wird mit 2 Würfeln gespielt) das Spiel, das er eigentlich als verloren angesehen hatte, für sich entscheiden könnte. Was mich dabei faszinierte, und mich für einen kurzen Moment sogar wie der „Gott des Zufalls“ fühlen ließ, waren zwei Dinge: einerseits die Inbrunst, mit der er sich diese bestimmte Würfelkombination wünschte. Welche magischen Bewegungen er vor dem Wurf verwendete, welche Zauberformeln er dabei aussprach und welche transzendenten Mächte er zur Hilfe anrief. Andererseits die herzerreißende Freude (Trauer), wenn er diese einzige Würfelkombination tatsächlich (nicht) werfen würde.

„Göttlich“ fühlte ich mich, weil ich mich an meine ersten Jahre an den Kapitalmärkten erinnerte. Als ich noch den Großteil der Zeit damit verbrachte, für die erfolgreiche Entwicklung meiner Positionen zu hoffen, zu bitten und nicht selten sogar zu flehen. Und als meine Gefühle, je nach Entwicklung, zwischen himmelhochjauchzend und unwiederbringlich am Boden zerstört schwankten. Wenn es einen „Gott des Zufalls“ gibt, muss er damals mitleidig auf mich herabgesehen haben, so wie ich nun auf meinen Sohn sah, und gedacht haben, so wie ich nun dachte: „Ach mein Lieber, wenn du nur wüsstest!“

Wenn du nur wüsstest, wie wenig nur Glück dir zu deinem Erfolg verhelfen kann. Weil es eben launenhaft, unzuverlässig und unberechenbar ist. Wie viel wichtiger es gerade jetzt ist, dich auf die Entwicklungen deiner Fähigkeiten zu konzentrieren. Die Fähigkeiten, die deinen Erfolg genau von diesem Glück unabhängiger machen, auf das du gerade so hoffst, das du gerade anflehst. Es gibt noch so unglaublich viel für dich zu lernen, bevor es Sinn macht, sich mit den Launen des Glücks zu beschäftigen! Fang gleich jetzt damit an, und blende die Kapriolen des Zufalls für die nächsten Jahre aus.

Wenn du nur wüsstest, wie sehr du mir ausgeliefert bist, weil dein Erfolg so sehr vom Zufall abhängt und meiner so wenig. Dass du erst dann eine langfristige Erfolgschance in diesem Spiel haben wirst, wenn der Zufall auch für dich nur noch ein Nebengeräusch ist, das mit seiner Unberechenbarkeit das Spiel belebt, langfristig für deinen Erfolg aber wenig ausschlaggebend ist.

Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich dir diese Würfelkombination gönne! Ich würde alles geben, um dich immer froh, ja sogar jubelnd zu sehen. Wenn du nur wüsstest, wie schwer es mir fällt, dass ich dir dennoch wünsche, dass du nicht allzu oft Glück hast. Damit du möglichst schnell möglichst viel lernst und insbesondere davor bewahrt wirst, dir Spielweisen anzueignen, die nur in Kombination mit viel Glück funktionieren. Ja, die Siege sind dann besonders spektakulär, aber sei bitte kein Opfer solcher billiger Sensationen. Und vor allem wünsche ich dir in den ersten Jahren wenig Glück, damit du möglichst bald begreifst, dass hier, wie in allen Bereichen, in denen Zufall eine gewichtige Rolle spielt, der Prozess viel wichtiger ist, als die einzelnen Spielergebnisse. Dass hier, wie in den meisten Lebenssituationen, ein guter Prozess zu einem schlechten Ergebnis führen kann, und ein schlechter Prozess zu einem guten. Und du deinen Fortschritt genau deshalb (fast) immer am Prozess und nicht am Ergebnis messen sollst.

Wenn du nur wüsstest, wie gleichgültig es mir ist, ob du diese Würfelkombination nun würfeln, und das Spiel gewinnen wirst. Ich bin mir so sicher, dass ich das Spiel besser beherrsche und am Schluss der Gewinner sein werde, dass mich diese 2-3, oder auch 20 Streiche, die mir das Glück möglicherweise spielen mag, überhaupt nicht berühren.

Wenn du nur wüsstest, wie viel erbauender und erfüllender die Spannung ist, die man erlebt, wenn man sich nicht dem Zufall, sondern mit den eigenen Spielfähigkeiten, Strategien und variierenden geistigen Verfassungen beschäftigt. Und wie befreiend, ja sogar ermächtigend das Gefühl ist, wenn man einzelne Würfelwürfe gelassen als das annehmen kann, was sie sind: der nicht beeinflussbare Bestandteil des Spiels. Der Bestandteil, der das Spiel, so wie eigentlich auch das Leben selbst, nicht nur zu einer kognitiven, sondern auch einer charakterlichen Herausforderung macht.

Wenn man sich aktiv mit den Kapitalmärkten beschäftigt ist, sollte man sich bewußt sein, welchen Charakter man in der obigen Geschichte darstellt.

Je mehr Emotionen und Hoffnungen im Spiel sind, desto sicherer stellt man meinen Sohn dar. Emotionen und Hoffnungen sind ein verlässlicher Hinweis darauf, dass der eigene Erfolg maßgeblich von Glück abhängt. Deshalb freut man sich auch so sehr über erfolgreiche Phasen: man ist glücklich, weil man Glück hatte. Chancen auf langfristig erwähnenswerte Erfolge haben nur jene, denen das tägliche Börsengeschehen gleichgültig ist. Sie wissen, dass sie darauf keinen Einfluss haben können, es hauptsächlich aus erratischem Rauschen besteht, und daher absolut keinen Nutzen für Entscheidungen bietet. Außerordentlich positive Entwicklungen ihrer Anlagen bereiten ihnen nicht außerordentliche Glücksgefühle, sondern beunruhigen sie genauso stark, wie außerordentlich negative Entwicklungen: beides sind Hinweise darauf, dass sich in ihren Prozessen möglicherweise ein Fehler eingeschlichen hat.

Wenn man weiß was man tut, dann erlebt man die Entwicklungen an den Kapitalmärkten, sowie die Entwicklung der eigenen Anlagen die meiste Zeit mit einem Gefühl: Langeweile. Es ist dann nämlich ziemlich klar, in welcher Bandbreite sich der eigene Erfolg in den kommenden Jahren/Jahrzehnten bewegen wird. Wo genau man innerhalb dieser Bandbreite stehen wird, hängt von Zufällen ab, die man nicht beeinflussen kann. Daher macht es wenig Sinn, Zeit oder Emotionen dafür zu verschwenden.

Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass nicht nur alle Börsenneulinge (ausnahmslos) den Charakter meines Sohnes darstellen, sondern auch der überwiegende Teil aller anderen Investoren und Händler. Es ist also keine Schande, auch dazuzugehören. Wichtig ist nur, sich dessen bewußt zu sein, und entsprechend vorzugehen.

Beschäftigt man sich mit den Kapitalmärkten ausschließlich um sein Vermögen sinnvoll anzulegen – und nicht um seine Zeit zu vertreiben oder um ein (teures) Hobby zu verfolgen – dann tut man das in fast allen Fällen am besten als Zuschauer. Als jemand der in einfache und günstige Indexfonds (bzw. ETFs) investiert. Oder, wie es einer der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten ausgedrückt hat:

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