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Noch nie ein so rasanter Kursverlust / Teil 3 inkl. Ausblick

COVID-19 ist in den USA, wo mittlerweile fast 600 Tote gemeldet werden, angekommen. Vorerst zögerlich angeordnete Maßnahmen gleichen mittlerweile jenen in Europa und die Bevölkerung erfährt von der Pandemie nicht mehr nur vom Hören-Sagen. Entsprechend reagieren Händler und Anleger an den Börsen. Der S&P 500 ist am Freitag (20.3.2020) zwischenzeitlich bis auf unter 2.300 eingebrochen. Nicht das erste mal; zwei Tage zuvor erlitt er einen intraday-Verlust von über 9%. Zu jenem Zeitpunkt der vierte solchen Ausmaßes innerhalb von nur 5 Tagen. Der Index kämpfte seither mit dem -30% Verlust, endete den letzen Handelstag der Woche knapp über 2.3000 und somit bei einem Verlust von knapp -32% seit dem letzten Hoch vor 22 Handelstagen (19.2.2020).

Was die Maßnahmen angeht, tendiere ich seit einigen Tagen zu den Bedenken, die ein Wissenschaftler1 gestern hier veröffentlicht hat. (mit treffenden Relativierungen auf Twitter hier und einer widersprechenden Meinung  im The Atlantic hier). Zusammengefasst: „It’s like an elephant being attacked by a house cat. Frustrated and trying to avoid the cat, the elephant accidentally jumps off a cliff and dies.“ Sollte ich hier richtig liegen, so wäre es für mich dennoch kein Grund, mich über die Maßnahmen und deren enormen Auswirkungen auf die Wirtschaft aufzuregen. Wenn dieses Virus das bewirkt, was alle Klimakonferenzen und Gretas diese Welt nicht erreichen konnten, so sollen diese Maßnahmen gerne noch einige Monate anhalten. Wenn uns unsere Irrationalität davon abhält, auf unsere Natur zu achten, so soll die Natur diese Irrationalität einsetzen, um zu erreichen, was zu erreichen notwendig ist. Schon heute, nach nur wenigen Wochen, sieht man, wie dankbar unsere Erde dafür ist, dass sie wieder tief durchatmen kann.

Die schon bekannten Graphiken sind aktualisiert. Wie schon zuvor beinhalten die Daten auch hier weder Dividenden, noch berücksichtigen sie die Inflation. Die Aussagekraft, so wie ich sie mir wünsche, wird dabei nicht wesentlich geschwächt. Die Darstellungen sollen die Situation nur gut skizzieren. Auf penible Genauigkeit kann man verzichten, ganz nach einem meiner Grundsätze: Lieber ungefähr richtig, als genau falsch. Das kompromisslose streben nach Genauigkeit verleitet immer zu einem Grad an Gewissheit, den es einfach nicht gibt. Bei so langen Zeiträumen sind Dividenden und Inflation natürlich wichtig, aber  die beiden Werte heben sich „so ungefähr“ auf. In etwa 2,5% p.a. Dividendengewinn und Inflationsverlust.

Diemal sind die Verläufe geteilt in jene die lange benötigten, um 30% zu verlieren, und jene, die, so wie im aktuellen Fall, sehr rasant geschahen. Erstere sind in einem Durchschnittswert zusammengefasst.

An der Darstellung, die den Zeitraum des Kursverlusts von 30% dem Zeitraum der Erholung gegenüberstellt, hat sich wenig verändert.

Neu ist heute die Darstellung, die den Verlauf der Erholung einschließt. Leider verdeutlicht sie vor allem den enormen Einbruch 1929 samt unendlicher Durststrecke bis zur Erholung. Trotzdem: soll man gesehen haben, um zu wissen, was bei einer übersichtlicheren Darstellung fehlt

In der folgenden Abbildung sind nur 7,5 der insgesamt 24,5 Erholungsjahre von 1929 angezeigt.

Zu erkennen ist, dass Vorfälle, bei denen der Einbruch länger dauert, die Zeit bis zu Erholung auch andauerte – ca. 3 bis 5 Jahre. Erfolgt der Einbruch abrupt, dann dauert die Erholung entweder sehr kurz (1987), oder unendlich lange (1929). Auffällig ist auch, dass 1929 schneller eingebrochen ist, als 1987, und die Erholung gleich nach dem Einbruch sehr ähnlich verlief. Erst nach etwa 140 Tagen teilten sich die Wege. 1987 erreichte sein Ziel nach weniger als 2 Jahren, während 1929 die Talfahrt fortsetzte, um nach etwa 3 Jahren das Tief bei etwas tiefer als -80% zu finden.

Schön, dann hätten wir das. Viel mehr wissen wir jetzt auch nicht, außer, dass in den kommenden Tagen und Monaten wirklich alles passieren kann. Das einzige, das ich mir persönlich nicht vorstellen kann, ist, dass die Kurse ohne Pause bis auf ihr Tief fallen. Auch wenn sie noch viele Monate fallen sollten, so werden sie sich zuvor auf ein Niveau von etwa -20% vom letzten Hoch erholen (beim S&P500 ~ 2.700), um erst dann weiter zu fallen. Oder eben, wie 1987, ihre Erholung in einem Zug fortzusetzen. In den kommenden 3-4 Monaten zu verkaufen dürfte die wohl schlechteste Idee sein. Glaube ich, aber wer weiß das schon?

Also kaufen? Nein, zu der Beantwortung einer so vielschichtigen und sensiblen Frage werde ich mich in einem Blog nicht hinreissen lassen. Was ich kann, ist Daten so aufbereiten, dass sie vielleicht Entscheidungen unterstützen können; und bei Gelegenheit Kleinigkeiten meiner Erfahrung zum Besten geben. Wie beispielsweise:

Es gibt nur einen einzigen Tiefstpreis. Wenn man viele Gedanken damit verschwendet, um genau diesen Tiefpunkt (oder auch nur das möglichst tiefste Preisniveau) zu erkennen, um dann zu investieren, dann sollten man sich Sorgen machen. Noch besorgter sollten man nur sein, wenn man es tatsächlich zu Stande bringen, an/um den Tieftspreis zu kaufen. Es wäre reines Glück, hat also wenig mit vernünftigem Investieren zu tun, und wäre Nährboden für Überlegungen, die dem Anlageerfolg entgegenstehen. Natürlich ist es vorteilhaft möglicht günstig zu kaufen. Aber es ist insgesamt von nur sehr geringer Bedeutung für den allgemeinen Anlageerfolg.

Oder das:

Der einzige Grund, warum Aktien eine deutlich höhere Rendite bieten als alle anderen Anlagemöglichkeiten, besteht darin, dass ihr Preis stärkert schwankt – ihre Vorhersehbarkeit also geringer ist – und noch dazu regelmäßig 20% bis 30% ins Minus rutscht. Lassen Sie das mal wirken.

Derzeit passiert genau das, wovor sich jeder so fürchtet; weswegen sich der großteil der Sparer vor Aktien scheut und sein Vermögen lieber am Sparbuch verotten läßt. Das Schlimmste ist also hinter uns. Die Talfahrt kann sich – und wird sich vermutlich – noch fortsetzen,  jedoch ist das entsprechende tiefe Preisniveau voraussichtlich von kurzer Lebensdauer.

Wie hoffentlich in der folgenden Darstellung erkennbar: In den 1.790 Monaten seit 1871 verbrachte der Index nur 263 (~15%) in solchen Territorien. 46 davon gegen Ende des ersten Weltkireges, 63 im laufe der Depression und 67 Monate im Zusammenhang mit der Energiekrise. Bleiben 87 Monate (5% aller Monate) für  Kursstürze in der „light“-Version. Und die „heavy-duty“ Versionen? Ich weiß es selber noch nicht, aber das ist es, was ich u.a. gleich herausfinden will.

Und was, wenn wir gerade etwas noch nie dagewesenes erleben? Wenn der Index auf -80% fallen sollte und sich nie wieder erholt? Kann natürlich passieren, aber ich vermute, dass dann unsere Kapitalanlagen unser geringstes Problem sein werden.

Info zu den Daten | Disclaimer

Daten auf Monatsbasis, inflationsbereinigt und unter Annahme, dass Dividenden reinvestiert werden. Kosten, Gebühren oder Steuern sind nicht berücksichtigt.

Ja, ob Sie es glauben, oder nicht: Aus 100 werden bei einer Verzinsung von 6,95% nach knapp 150 Jahren mehr als 2 Millionen. Heute sind wir nach einem 32%igem Kursrutsch bei etwa 1,5 Millionen (6,67% p.a.).

Und jetzt mal ehrlich: hätten Sie auch nur annähernd vermutet, dass hier 0,28% p.a. einen Unterschied von 500.000 bedeuten würden?

Die langjährige Durchschnittsrendite (CAGR) des S&P 500 liegt real bei etwa 6,5%. Mit Vorsicht ist diese Zahl aus dem Grund zu genießen, weil die USA im 20. Jahrhundert die führende Wirtschaftsnation war. Verliert sie diesen Status, so dürfte sich auch diese Zahl an jene anderer Industrienationen (~5,5%) annähern.

Dass hier absolut gar nichts als Anlageberatung anzusehen ist, und alle Angaben ohne Gewähr sind, sollte sich von selbst verstehen.

Als Investor interessiert Sie hoffentlich weniger was kurzfristig alles so passiert (insbesondere, wenn Sie es nicht beeinflussen können), sondern ob Sie eine angemessene Rendite für Ihre Investition erhalten. Für den S&P 500 kann eine reale Rendite von 6,5% als angemessen gelten, da dies den langfristigen Durchschnitt darstellt. Mehr darf ich mir erhoffen, weniger würde ich gerne vermeiden. Ein Kurseinbruch sollte bei diesem Vorhaben hilfreich sein.

Es wäre also interessant zu wissen, welche Rendite ich in gewissen Zeiträumen nach solchen Kurseinbrüchen erwarten kann. Beispielsweise 7 Jahre (z.B. für Glücksritter), 14 Jahre (z.B. Starthilfe für Nachwuchs), 21 Jahre (z.B. Immobilienkauf) und 42 Jahre (z.B. eine gewissenhafte Vorsorgerin).

Info zu den Daten | Disclaimer

Daten auf Monatsbasis, inflationsbereinigt und unter Annahme, dass Dividenden reinvestiert werden. Kosten, Gebühren oder Steuern sind nicht berücksichtigt.

Es handelt sich um historische Daten und es besteht überhaupt kein Grund zur Annahme, dass sich diese in Zukunft ähnlich verhalten werden, wie in der Vergangenheit. Auch ein Totalverlust ist möglich. 

So wie ein Totalverlust auch bei Immobilien, Anleihen, Bankeinlagen und sonstigen Anlageformen möglich ist, und auch, im Gegensatz zu einem Portfolio, das in einige tausend der größten Unternehmen der Welt investiert, schon vorgekommen ist.

Dass hier absolut gar nichts als Anlageberatung anzusehen ist, und alle Angaben ohne Gewähr sind, sollte sich von selbst verstehen.

Gründerkrise, Panik von 1907 in den USA, Ertster Weltkrieg, Oktoberrevolution, Weltwirtschaftkrise 1929, Zweiter Weltkrieg, Energiekrise 1970er, dot.com-Krise 2000, Finanzkrise 2008 und die schlechteste Rendite (des Glücksritters) über 7 Jahre betrug nur -2,05%? Immerhin ein Gesamtverlust von knapp 20%, aber es handelt sich um den worst-case der letzten 150 Jahre. Der Durchschnitt der 10 schlechtesten Vorfälle beträgt nicht einmal -1%. Die Hälfte aller solchen Vorfälle brachten hingegen über 7 Jahre Renditen von 10% bis 25%. Wie gesagt, Glücksritter – nicht das zentrale Thema hier. Wesentlicher ist, dass nur über Zeiträume von 7 Jahren Verluste überhaupt aufgetreten sind, und diese Verluste eher mäßig ausfielen.

Was die Starthilfe für den Nachwuchs angeht (14 Jahre): Aktien erweisen sich wieder einmal als gute, wenn nicht die beste Anlageform für Kinder. Insbesondere nach einem heftigen Kurseinbruch. Mit Pech erhält man 2,5% über 14 Jahre (real; also etwa 10x soviel, wie auf einem Sparbuch in den besten Zeiten). Erwarten durfte man etwa 8% (womit das Kapital in 14 Jahren etwa verdreifacht wurde) und mit Glück schaute fast das Doppelte (15%) heraus, und das Kapital hätte sich versiebenfacht.

Über einen Zeitraum von 21 Jahren war es fast ausgeschlossen, dass die Rendite unter 5% p.a. lag. Am wahrscheinlichsten war sie in der Gegend von 10% und hätte somit das Anfangskapital in etwa versiebenfacht.

Und schließlich die gewissenhafte Vorsorgerin, die ihre 10.000 zum Ausbildungsabschluss nicht verpulvert, sondern mit geringen Kosten in die 500 größten Unternehmen der USA anlegte: Ihre mögliche Rendite  lag zwischen 5,5% und knapp 10%. Am wahrscheinlichsten war eine Rendite von etwa 7,5%. Eine ziemlich langweilige Angelegenheit ohne großen Überraschungen nach 42 Jahren. Kein Vergleich zum Glücksritter mit möglichen Ausgängen von -2% bis +25%; gewissenhaft, eben. Ihre Überraschung birgt der Endbetrag den sie nach den 42 Jahren erhalten haben wird, der mit hoher Wahrscheinlichkeit um das Zwanzigfache gewachsen ist (Real. Ja ich weiß, ich werde nicht müde darauf hinzuweisen, aber bei solchen Zeiträumen macht das einen Unterschied. Ohne die Inflation zu berücksichtigen, also nominal, hätte sie etwa das Vierzigfache).

Also was tun? Besondere Eile besteht sicher keine. Wichtiger ist es, sich einige Gedanken zu machen und einen Plan zurechtzulegen. Ziele, Wünsche, Möglichkeiten, etc. Am besten gemeinsam mit einem Berater (keinem Verkäufer), der möglichst einfache und günstige Lösungen (Indexfonds, ETFs) anbietet. Denn alles was ich hier geschrieben habe setzt voraus, dass man sowohl penibel auf die Kosten achtet, als auch die größten Risiken vermeidet. Wie ich hier schon einmal geschrieben habe, besteht für den Anleger eines der größten Risiken im Portfoliomanager und/oder Anlageberater, der nach überdurchschnittlichen Marktrenditen strebt uns solche anbietet.

Nimmt man die Vergangenheit als Skizze für die Zukunft, so wie ich es hier versucht habe, dann dürften die kommenden Wochen jedenfalls eine selten gute Chance bieten um sich näher mit dem Thema zu beschäftigen. Es sind Marktsituationen wie die aktuelle, die die höchste Wahrscheinlichkeit bieten, die langfristig durchschnittliche Rendite zu erhalten. Und die kann sich sehen lassen.

Natürlich ist es leichter getan, als gesagt. Solche Krisen fühlen sich immer schrecklich hoffnungslos an. Daher zum Schluß ein kleiner Trick, der möglicherweise hilft: Die Entwicklung von Aktienanlagen nach solchen Einbrüchen, aber ohne den Horror des Kurssturzes auch zu sehen (zum Vergleich auch Bargeld mit einer großzügig angenommenen realen Verzinsung von 1% p.a.). Weit und breit keine negativen Wertentwicklungen zu sehen. Mit einer Ausnahme: Im worst-case einer 14-jährigen Anlage. Vorgefallen, wenn Geld im November 1929 für 14 Jahre angelegt hatte. Aber sogar in dieser bisher gewaltigsten Börsenkrise waren Aktien einem Sparbuch überlegen.

Mich würde es riesig freuen, wenn ich das Interesse von auch nur ein paar wenigen Menschen erwecken, und sie zu weiteren Schritten ermutigen kann. Damit sie, auch wenn sie sich schließlich gegen den Aktienmarkt entscheiden sollten, eine informierte Entscheidung treffen.

1. John P.A. Ioannidis, professor of medicine, of epidemiology and population health, of biomedical data science, and of statistics at Stanford University and co-director of Stanford’s Meta-Research Innovation Center „

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