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Riskante Gebühren

Anlageberater und Houdini in einem Atemzug zu nennen ist vielleicht weit hergeholt, aber bei Äußerungen von solchen Beratern kommt mir dieser Vergleich oft in den Sinn.  So auch, als mich ein Freund kürzlich fragte, was ich denn von seinem Portfolio halte. Es wird von einer der guten Privatbanken betreut. Dementsprechend war es nicht haarsträubend, sondern nur schlecht. Zu viele Positionen, eigene Fonds (unterdurchschnittlich, wie sooft) und Gebühren, die in Summe mehr als 2,7% p.a. betragen. Was ja alles ok wäre, wenn die Performance es rechtfertigt. War wieder einmal nicht so – in etwa 50% geringer, als mit 3 ETFs, die auch noch weniger schwanken. Mein Freund war nicht sofort überzeugt:“ Das sind Spezialisten, die kennen sich aus, sie beobachten das laufend und steuern vor allem auch das Risiko.“Ja natürlich, Risiko,“ kam es mir dann, „sie steuern vielleicht das Risiko (?), vor allem aber erhöhen sie es.“

Es ist doch so: Anlageberater weisen unermüdlich darauf hin, dass höhere Erträge immer mit höheren Risiken verbunden sind. Und sie erklären Anlegern, dass sie ihnen durch ihre besondere Expertise Nutzen bringen.
Worin besteht nun der Nutzen des Anlageberaters, für den er entlohnt werden soll? Er ermittelt zuerst mithilfe von Fragekatalogen „Anlegerprofil“ der Anlegerin. Er tut dies sicher entsprechend den Vorschriften der Aufsichtsbehörde, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu grob und vollkommen unzureichend. Im zweiten Schritt kombiniert er Vermögensklassen so, dass die zu erwartende Schwankungsbreite (Volatilität) des Portfolios dem zuvor ermittelten Risikoprofil der Anlegerin entspricht.

Was er bisher geleistet hat erfordert keine besonderen Fähigkeiten oder Kompetenzen. Es ist leider auch nicht der Grund, warum Anleger überhaupt einen Berater aufsuchen. In der Regel fühlen sie sich dieser Aufgabe (fälschlicherweise) gewachsen. Sie suchen Anlageberater auf, weil sie den Schlüssel zu ihrem Anlageerfolg in der Auswahl der konkreten Anlageinstrumente sehen. Sie trauen sich diese Auswahl nicht zu, wollen sich gar nicht so genau mit dem Thema befassen und vertrauen sich deshalb einem Experten an.
Obwohl das eine falsche Annahme ist, akzeptiert sie der Berater bereitwillig und verspricht diesen Schlüssel zu besitzen. Er weiß nicht nur, welche konkreten Instrumente für den Anleger die besten sind. Er weiß auch, wie die eingangs gewichteten Vermögensklassen – entsprechend der globalen Entwicklungen – regelmäßig neu zu gewichten sind, und welche neuen Instrumente unter diesen neuen Gegebenheiten am besten geeignet sind. Dafür wird er ja auch bezahlt.

Auch wenn das schon die erste Fehlleitung ist; sie ist nicht die, auf die ich hinaus will und sie ist den Beratern in der Regel nicht bewusst. Außerdem muss man sich die Situation einmal vorstellen: ein Anleger kommt zum Anlageexperten und sagt: „Ich habe mir alles genau überlegt und bin zum Schluss gekommen, dass ich am Kapitalmarkt investieren will. Das einzige, das mir jetzt fehlt, ist jemand der mir sagt, welche Finanzinstrumente ich genau kaufen soll. Da kenne ich mich nicht aus, dafür brauche ich einen Experten.“ Dieser so aufgesuchte Anlageexperte müsste schon fast übermenschliche Kräfte besitzen um zu entgegnen: „Ich weiß es auch nicht, Sie werden auch niemanden finden der es wüsste, und außerdem ist es für Ihren Anlageerfolg gar nicht ausschlaggebend.“  Wird leider nicht passieren. Es ist schließlich diese spezielle Fähigkeit, nämlich die besten Anlageinstrumente auszusuchen, die das Berufsbild der Anlageberater bestimmt und worauf sie stolz sind. Sie investieren viel Zeit und Energie um diese Fähigkeit auszubauen und müssten sich selbst in Frage stellen, wenn sich herausstellt, dass diese Fähigkeiten nun doch wenig nützlich sind. Auch wenn die entsprechende Überprüfung einfach ist: Man muss nur die Performance des Portfolios mit der entsprechenden Benchmark vergleichen. Seit einiger Zeit sind Portfolioverwalter, mit wenigen Ausnahmen (gewähren Sie ihm diese bitte nicht), verpflichtet, eine solche Benchmark festzulegen.

Auch jedes Informationsdokument (KID, KIID, WAI, FactSheet, etc.) muss den verwendeten Maßstab, die Benchmark, angeben, in Kundengesprächen wird er leider gerne übergangen. Steht eh in jedem Informationsblatt, muss ja nicht noch explizit angesprochen werden.

Was der Anleger implizit vom Berater will und was der Berater dem Anleger explizit anbietet ist nicht einfach einen repräsentativen Durchschnitt eines Marktes, sondern etwas Besseres. Deshalb geht man ja zu einem Experten. Deshalb wird dieser nun ein Portfolio aus besonders erfolgversprechenden Finanzinstrumenten – entsprechend der zuvor ermittelten Gewichtung der Vermögensklassen – zusammenstellen. Das kostet natürlich Geld. Sowohl, weil diese Instrumente von speziellen Experten verwaltet werden, als auch, weil die Auswahl der erfolgsversprechendsten Instrumente für die konkreten Bedürfnisse des Anlegers spezielle Expertise voraussetzt. Man kann davon ausgehen, dass die Summe aller Gebühren und Spesen etwa 3,5% pro Jahr ausmachen werden. Weil es Ausnahmen und spezielle Umstände geben kann, gehen wir hier der Einfachheit halber von 3% p.A. aus.

Die Frage, die sich nun stellt, und die eigentliche Fehlleitung, die ich hier ansprechen möchte ist: Wenn höhere Erträge wirklich nur mit höheren Risiken zu erlangen sind, und wenn der Berater tatsächlich einen Nutzen leisten kann, wie sind diese 3% einzuordnen?
Ich kann mir ein Gespräch so vorstellen:

Anleger: „Ich möchte am Kapitalmarkt investieren und erwarte mir so 10% Rendite pro Jahr. Berater: Sie dürfen nicht vergessen, dass höhere Renditen immer mit höherem Risiko verbunden sind. Wenn Sie 10% p.A. erwarten, dann bla, bla. A: Aha, ok, dann nehme ich doch besser 6%. Mit 70% vom MSCI World Index und 30% vom Barclays Global Aggregate Index müsste das funktionieren. B: Ja vermutlich. A: Und Sie machen daraus 7%, denn deshalb bin ich ja da. B: Richtig. A: Was ich jetzt nicht verstehe: Sie haben doch gerade gesagt, dass höhere Renditen immer mit höherem Risiko verbunden sind. Ich meine, wenn ich alleine und passiv 6% bekomme aber mit Ihrer Hilfe 7%, muss das ja riskanter sein. Worin besteht dieses zusätzliche Risiko? Bedeutet das etwa, dass ich durch Ihre Leistung mehr Risiko eingehe, als geplant? Dass Ihre Leistung zwangsweise ein Risiko sein muss? Und außerdem: wie ist das mit den Gebühren? Um mir einen Nutzen zu bringen und Ihre Gebühren zu verdienen, ist doch eine Rendite von 10% p.A. nötig. 7% für mich + 3% für Sie macht 10%. Habe ich dann nicht das Risiko, von dem Sie mir gerade abgeraten haben? Und wenn Sie wirklich die Fähigkeit besitzen 10% mit dem gleichen Risiko wie für 6% zu erwirtschaften: von diesen 4% Mehrertrag behalten Sie dann 75% und lassen mir nur 25%? Ist das fair?

Wird so leider nur selten passieren. In der Regel wird der Anleger nicht auf Benchmarks und Indices Bezug nehmen, weil er von ihrer Existenz und Funktion weder weiß, noch auf sie hingewiesen wird. Vielmehr wird der Berater von den 6% potenziellem Ertrag 4% in Fondsgebühren, Depotgebühren, Handelsspesen, Beratungsgebühren etc. fließen lassen und die restlichen 2% dem Anleger überlassen. Also nicht nur keine 75% von einem Mehrertrag, sondern nur ein Drittel vom einfachen Durchschnittsertrag.

Das Problem beginnt, wie zu erwarten, am Anfang: „Mehr Ertrag ist immer mit höherem Risiko verbunden“. Mehr Ertrag, klar, jeder weiß, was das bedeutet. Mehr Risiko? Fragen Sie einen beliebigen Berater/Experten, und er wird antworten: Volatilität. Volatilität ist schnell in einer einzigen Zahl darstellbar; sie ist auch das, was Anleger fürchten, insbesondere wenn sie nicht wissen, wie und warum sie entsteht und welche Konsequenzen sie bergen kann. Furcht ist zu vermeiden, also ist Volatilität zu meiden, also ist Volatilität das Risiko. Das Problem dabei: Höhere Erträge bedingen zwar immer höhere Schwankungen (Volatilitäten), aber diese stellen nur einen kleinen – und bestimmt nicht den wichtigsten – Teil des Risikos dar, das ein Anleger eingeht.

Die drei wesentlichen Risiken eines breit diversifizierten Portfolios sind:

  1. Der Kapitalmarkt hört auf, in seiner derzeitigen Form zu existieren. Ist denkbar, aber das Portfolio eines Anlegers wird dann sein kleinstes Problem sein.
  2. Der Anleger kann zwischenzeitliche Vermögensverluste psychisch (und/oder physisch) nicht verkraften und wirft seinen Plan über den Haufen. Auch wenn dieser zwischenzeitliche, beispielsweise 20%-ige, Vermögensverlust seine bisherige jährliche Rendite lediglich von überdurchschnittlichen 8% auf großartige 5,5% sinken lässt.
  3. Der Anleger ist gezwungen seine Kapitalanlage zu einem schlechten Zeitpunkt aufzulösen, weil er Liquidität benötigt.

Die Aufgabe des Beraters ist es, diese Risiken zu erläutern und mit dem Anleger zu steuern. Ein guter Berater wird sich primär mit Punkt 2. beschäftigen. Punkt 1. kann er nicht beeinflussen und Punkt 3. ist verhältnismäßig einfach zu steuern.
Aktives Fondsmanagement, Stock-Picking, Market-Timing und alle sonstigen Techniken sind Lösungen zu einem Problem, das eigentlich so nicht besteht. Diese Techniken bestätigen lediglich die Anbieter in ihrem Berufsbild, kosten viel Geld und erhöhen das Risiko des Anlegers maßgeblich.

Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass ein Berater/Portfoliomanager durch sein Zutun das Verhältnis Ertrag:Volatilität langfristig verbessern kann: Der Zusatznutzen für den Anleger wird immer zu gering ausfallen und das am schlechtesten kalkulierbare Risiko – das Managerrisiko – wird immer bestehen.

Wie sooft zeigt sich: man braucht von Kapitalmärkten absolut keine Ahnung haben, um die tatsächlich ausschlaggebenden Details beurteilen zu können. Es genügen einfache Rechnungen und Hausverstand. Und vor allem ausreichend Selbstvertrauen, um genügend oft „warum?“ und „wie?“ zu fragen.

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