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Wie man gewinnt, ohne zu gewinnen

Simon Ramo, ein Physiker und Unternehmer, kam in seinem kleinen Buch Extraordinary Tennis for the Ordinary Players zu einer faszinierenden Erkenntnis, die den Unterscheid zwischen einem „Gewinnerspiel“ und einem „Verliererspiel“ beschreibt.

Ramo behauptet, dass Tennis in zwei Spiele unterteilt werden kann: nämlich einerseits ein Spiel der Profis und andererseits ein Spiel für den Rest von uns – den Amateuren. In beiden Spielen wird nach genau denselben Regeln gespielt. Es ist dasselbe Spiel, dieselben Regeln, derselbe Platz. Oft sogar dieselbe Ausrüstung. Dennnoch sind es zwei völlig unterschiedliche Wege zum Ergebnis, und das ist die bedeutende Einsicht von Ramos.

Profis gewinnen Punkte, während Amateure Punkte verlieren. Man denke an Profispiele: Jeder Spieler, annähernd ebenbürtig hinsichtlich ihren Fähigkeiten, spielt ein nahezu perfektes Spiel, bis schließlich einer der Spieler den Ball so trifft, dass dieser für den Gegner nicht mehr erreichbar ist.

Das Tennis, das Amateure spielen, ist ein gänzlich anderes Spiel. Es wird auf eine grundlegend andere Weise gewonnen. Lange und kräftige Ballwechsel bilden eher die Ausnahme, und Fehler sind häufig. Bälle werden oft ins Netz, oder ins Out geschlagen. Doppelfehler sind nahezu ebenso häufig, wie Fehler.

»Der Amateur schlägt selten seinen Gegner – er schlägt sich selbst.«

In seinem Aufsatz aus dem Jahr 1975, The Loser’s Game, nennt Charles Ellis professionelles Tennis ein “Winner’s Game”. Der Ausgang des Spiels wird grundsätzlich, auch wenn Glück einen gewissen Einfluss besitzt1einen Einfluss, der heute noch weit größer ist, als damals, siehe dazu M. Mauboussin: „The Success Equation“, oder Institutional Investor 17. Sep. 2020: „The ‘Paradox of Skill’ Adds to Active Management Woes, vom Handeln des Gewinners bestimmt.

»Im Profitennis werden etwa 80 Prozent der Punkte gewonnen, im Amateurtennis werden etwa 80 Prozent der Punkte verloren. Mit anderen Worten: Profi-Tennis ist ein Winner’s Game – das Endergebnis wird durch die Aktivitäten des Gewinners bestimmt – und Amateur-Tennis ist ein Loser’s Game – das Endergebnis wird durch die Aktivitäten des Verlierers bestimmt.«

Die meisten von uns spielen das Spiel der Amateure. Natürlich wollen wir dabei unsere Geschicklichkeit beweisen und unsere Fähigkeiten verbessern, selbst wenn uns gewisse Gegner mit ihrer Spielweise zur Weißglut bringen. Es führt allerdings selten zum Sieg.

»… wenn man beim Tennis gewinnen will – und sich nicht einfach vergnügen will – besteht die Strategie zum Gewinnen darin, Fehler zu vermeiden. Die Art und Weise Fehler zu vermeiden besteht darin, konservativ zu sein und den Ball im Spiel zu halten, sodass der Gegenspieler viel Raum hat, um seinen Weg zur Niederlage zu finden, weil er, als Amateur, ein Verliererspiel spielen wird und es nicht weiß.«

Buffett versammelte eine Zeit lang eine Gruppe von Personen, die sich “Buffett Group” nannte. Bei einer solchen Versammlung gab Benjamin Graham, Warren Buffett’s Mentor und Lehrer, allen Anwesenden eine Aufgabe 2nachzulesen in Benjamin Graham on Value Investing: Lessons from the Dean of Wall Street.

»Er gab uns ein Quiz«, sagte Buffett, »ein richtig-falsch Quiz. Und da waren all diese Leute, die sehr klug waren. Er sagte uns im Voraus, dass jeweils die Hälfte richtig oder falsch sei. Es gab 20 Fragen. Die meisten von uns haben weniger als 10 richtig beantwortet. Hätten wir jede Frage mit richtig oder falsch angekreuzt, hätten wir 10 Richtige gehabt.«

Der Punkt ist der, dass der Schlüssel in der intensiven Suche nach entscheidenden Fehlern liegt, nicht bei der Suche nach den klügsten Ideen. Sogar Howard Marks, einer dieser wenigen erfolgreichen Profis, richtet seinen Fokus weiterhin auf mögliche Fehler: »Wenn man Verlierer vermeiden kann, kümmern sich die Gewinner um sich selbst«. Dies ist auch genau was Charlie Munger schon vor geraumer Zeit wohl meinte, als er in einem Brief an die Aktionäre von WESCO3Damn Right!: Behind the Scenes with Berkshire Hathaway Billionaire Charlie Munger, schrieb:

»Wesco versucht weiterhin mehr dadurch zu profitieren, dass das Offensichtliche nicht aus den Augen verloren wird, als durch das begreifen von Esoterischem. … Es ist bemerkenswert, wie viel an langfristigen Vorteilen Menschen wie wir erringen konnten, indem wir versuchten, konsequent nicht dumm zu sein, anstatt zu versuchen besonders intelligent zu sein.«

Soll man als Amateur folglich die Finger von Einzelaktien lassen und konsequent nur in Indices investieren? Wenn man ausschließlich gewinnen, und sich nicht auch vergnügen will, unbedingt. Allerdings gibt es da noch zwei Eigenheiten von Kapitalmärkten, eine gute und eine schlechte:

Die gute ist, dass die Beschäftigung mit den Kapitalmärkten unendlich viele interessante, spannende und bereichernde Facetten bietet. Wenn man das so riskierte Kapital in Grenzen hält, dann kann eine solche Beschäftigung durchaus Vorteile bergen, wenn auch nicht unbedingt finanzielle. Entscheidend dabei ist, dass man sich der Tatsache bewusst bleibt, dass hier Erfolge überwiegend durch glückliche Fügungen zustande kommen. Genau daraus folgt die schlechte Eigenheit der Kapitalmärkte:

Sie sind perfide, da man an ihnen über unglaublich viele Jahre hinweg durch ausreichend Glück beachtliche Erfolge erzielen kann. Je länger Kapitalmärkte solche günstigen Phasen verschenken, desto schwieriger wird es, die herausragenden Ergebnisse nicht doch den eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben. Das endet meistens nicht gut.

Wer grundsätzlich gewinnen will, aber den Reizen der Kapitalmärkte nicht widerstehen kann, sollte dafür nur einen kleinen Teil seines Vermögens einsetzen – und vor allem Mungers Rat beherzigen: zuerst die Dummheiten vermeiden, bevor man nach Genialität strebt.

Das widerspricht einem gesunden Ehrgeiz und klingt langweilig. Aber es funktioniert. Investieren sollte keine Bühne für das Ego sein, sondern ein Ort, an dem man überlebt. Lange genug, um sich über großartige Ergebnisse freuen zu können.

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