»Wenn man nicht weiß, wer man ist, dann ist der Aktienmarkt ein teurer Platz, um es herauszufinden«
_ Adam Smith (George J.W. Goodman)
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Um einen Wettkampf zu gewinnen, braucht man einen Vorteil – idealerweise einen, den andere nicht haben.
In der Welt der Kapitalanlage, einem der lukrativsten Wettkämpfe überhaupt, gibt es genau drei Wege, sich diesen Vorteil zu verschaffen:
- Informationen
- Analysen
- Verhalten
Informationen
Nach Kriegsende sind die Staatsfinanzen der Sieger mehr kerngesund, jene der Verlierer eher weniger. Es ist also ratsam, nur Staatsanleihen der Sieger zu besitzen. Am besten, bevor der Ausgang des Krieges allgemein bekannt ist. Nathan Rothschild ist das gelungen1wenn auch nicht in dem horrenden Ausmaß, von dem gerne erzählt wird, weil er ein hocheffektives Logistiknetzwerk aufgebaut hatte2mit dem er im Rahmen der »Waterloo Commission« während der Kriegsjahre viel mehr, als an der Börse verdient hatte; Zitat: »The best business I ever did«, und so als erster die Information über den Sieg der Briten, in der Schlacht bei Waterloo 1814, nach London übermitteln konnte. Das war vor 200 Jahren, heute würde eine solche Information sogar die Bewohner von Tristan da Cunha schon nach Sekunden erreichen. Abgesehen davon, ist es heute auch ziemlich streng verboten, Informationsvorsprünge an Börsen in Geld zu verwandeln3beispielsweise Terren Peizer, im Jahr 2024.
Technisch gesehen kann man sich durch Informationen keinen Vorsprung verschaffen. Anders gesehen kann man es tun, es ist aber zumindest nicht ratsam. Und für den langfristigen Vermögensaufbau/-erhalt jedenfalls ungeeignet.
Analysen
Durch Analysen versieht man Informationen mit Bedeutung.
Banken geben jedes Jahr einige hundert Milliarden Dollar für modernste Infrastrukturen und die besten Köpfe aus. Der Betrag, den Banken jährlich alleine für IT ausgeben4McKinsey, October 18, 2024 übersteigt die gesamten Staatsausgaben Spaniens5Liste der Länder nach Staatshaushalt – Wikipedia. Budgets dient der Befriedigung des unwiderstehlichen menschlichen Bedürfnisses, die Umwelt zu verstehen. Insbesondere, wenn eine bestimmte Umweltsituation bedrohlich ist. Sogar dann, wenn es nichts zu verstehen gibt.
Wenn auch nur ein Bruchteil davon effektiv eingesetzt wird – das wird er mit Sicherheit -, dann stehen die meisten Investoren, auch die allergrößten unter ihnen, einer gewaltigen Übermacht an geistigen und materiellen Ressourcen gegenüber. Die Qualität sowohl der geistigen, als auch der materiellen Ressourcen verbessert sich außerdem laufend und immer schneller, wodurch überdurchschnittliche Erfolge immer schwieriger werden6Michael Mauboussin: »The Success Equation: Untangling Skill and Luck in Business, Sports, and Investing«, hier gut zusammengefasst.
Als Investor (oder auch Profi), auch als sehr, sehr großer, kann man davon ausgehen, dass sich Expertenanalysen, auch die allerbesten und allerexklusivsten, zum größten Teil bereits in den Preisen widerspiegeln. Sie können keinen erwähnenswerten Vorteil bieten.
Analysen, die sich in »Europa rüstet auf, also werden Rüstungsaktien steigen«, »KI ist die Zukunft, also kaufe ich Nvidia«, oder in »Apple hat anfangs auch niemand verstanden, also kaufe ich Tesla und Bitcoin« erschöpfen, sind keine Analysen. Das ist Storytelling mit Ticker-Symbol.
Sich einen Vorteil durch bessere Information oder bessere Analyse zu verschaffen, ist kein chancenreicher Weg. Was zum dritten, letzten und vermutlich wertvollsten Vorteil führt, der heute an Kapitalmärkten überdurchschnittliche Erfolge ermöglicht.
Verhalten
Die besten Informationen und besten Analysen führen nur dann zum Erfolg, wenn sie auch von entsprechendem Verhalten begleitet werden. Glücklicherweise denken die meisten Menschen, sogar die klügsten erfolgreichsten und bestausgebildeten unter ihnen, dass ihr Verhalten kein Thema ist. Dass es eben genau ihr besonderes Verhalten ist, das zu Erfolgen führt, ihr bisheriger Lebenslauf ist schließlich der beste Beweis dafür.
Hindernisse auf dem Weg zu mehr Erfolg im eigenen Verhalten zu suchen fällt den meisten Menschen, sogar den klügsten, erfolgreichsten und bestausgebildeten unter ihnen, schwer. Schließlich hat ja genau diese eigene Persönlichkeit zum Erfolg geführt.
Außerordentliche Intelligenz oder außerordentlicher Erfolg treffen sich selten mit gesunder Bescheidenheit in einer Person. Deswegen sind von den paar Dutzend Millionen Investoren nur ein paar Dutzend außerordentlich erfolgreich. Wie wenig erfolgreich professionellen Investoren, trotz ihrer unermesslichen Ressourcen, sind, zeigt sich in den alljährlichen Analysen von S&P Global. Auch der aktuellste Report (SPIVA Year-End-2024) zeigt wieder, dass 9 von 10 Aktienfonds den Markt nicht schlagen. Mehr als die Hälfte der Fonds wird erst gar nicht so alt.
Als nicht professioneller Anleger, egal wie intelligent oder erfolgreich, hat man nicht den Anspruch, am Kapitalmarkt außerordentliche Erfolge zu erzielen. Das erstrebenswerte Ziel sind überdurchschnittliche Erfolge. Dass das Hindernis zur Erreichung dieses Ziels nicht in fehlenden Informationen oder unzureichenden Analysen liegt, zeigt wiederum der alljährliche Report (Mind the Gap 2024) von Morningstar, der die Performance von Fonds mit der Performance der Investoren, die in diese investieren, vergleicht. Über die letzten 10 Jahre zeigt sich ein »Gap« von ca. 1% p.a., bzw. in Summe von 15%. Investoren vertrauen sich also Experten an und vergeben durch ihr eigenes Zutun zusätzlich 1% pro Jahr.
Die gute Nachricht ist, dass sich jeder diesen Vorteil zu nutzen machen kann. Man braucht dazu weder eine besondere Bildung, noch besondere Begabungen oder Erfahrungen. Was das eigene Verhalten betrifft, stehen alle, wirklich alle Kapitalmarktteilnehmer, vor der genau gleichen Herausforderung und alle springen unter vergleichbaren Bedingungen in die Arena. Gut möglich, dass hier einfache Privatanlegerinnen sogar einen Wettbewerbsvorteil haben: je renommierter ein Finanzinstitut, desto üppiger die Lebensläufe der Absolventen, die diese umwerben, und umso unwiderstehlicher die Angebote, die den Absolventen gemacht werden. Das filtert und formt sehr spezielle Persönlichkeiten.
Kognitive Verzerrungen
Es sind sehr konkrete Verhaltensweisen, die dafür verantwortlich sind, dass wir Menschen heute überhaupt noch die Welt bewohnen. Robuste Verhaltensweisen, die sich über Millionen Jahre entwickelt und seit tausenden Jahren bewährt haben. In unserer heutigen Welt, mit ihren Abstraktionen und von Menschen geschaffenen Gefahrenquellen, sind manche dieser Verhaltensweisen in gewissen Situationen ungünstig. Die Kapitalmärkte sind vermutlich der Platz, an dem sich Menschen mit ihren bewährten Verhaltensweisen am regelmäßigsten schaden.
Man muss sich bewusst und stark anstrengen, um sich solchen Verhaltensweisen zu widersetzen. Die 4 wesentlichsten kognitiven Verzerrungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen sind:
Selbstüberschätzung
In den meisten Lebensbereichen kein Nachteil, weil Menschen von selbstsicheren Menschen angezogen werden, egal wie fundiert die Selbstsicherheit ist. Negative Folgen von Selbstüberschätzung können in der Regel relativiert oder abgeschoben werden, die angezogenen Beteiligten sind leicht zu überzeugen, weil sie ja Teil des Misserfolgs sind.
Bei der Kapitalanlage sind die Ergebnisse eindeutig und die möglichen negativen Folgen oft schmerzhaft konkret. Relativieren oder Abschieben verschlimmert die Situation. Als DIY-Anleger sollte man sich regelmäßig den Dunning-Kruger-Effekt in Erinnerung rufen: Wenn man sich nicht über viele Jahre intensiv mit einem Thema beschäftigt hat, kann man gar nicht wissen, wie wenig Ahnung man von dem Thema hat.
Verlustaversion
Mehr zu bekommen, als man hat, ist ganz ok, etwas zu verlieren ist aber abgrundtief schrecklich. Das ist tief in unseren Genen verankert und ist auch gut so. Bei der Kapitalanlage ist es aber ein Problem, wenn man deswegen Verluste zu spät, und Gewinne zu früh realisiert. Wobei Letzteres sogar gefährlicher, obwohl man immer wieder hört: „von Gewinnmitnahmen ist noch keiner arm geworden“.
Ein Wertpapier, dessen Kurs um 50% sinkt, nachdem es 300% gestiegen ist, wird unweigerlich als Katastrophe empfunden. Obwohl die +300% genauso viel oder wenig über das Wertpapier aussagen, wie die -50%. Und auch wenn das Ergebnis deutlich besser ist, als das eines Wertpapiers, das mit geringen Schwankungen 50% an Wert gewonnen hat.
Besonders schlimm wirkt sich diese Aversion bei jenen aus, die einen Kursverlust von 50% „einfach nicht verkraften können“. Auch wenn trotz dieses „Verlusts“ durch Aktienanlagen die Rendite 10 Mal größer ist, als jene, die mit Spareinlagen erzielt wurde.
Ankereffekt
»Ich habe bei 100 gekauft, jetzt stehen wir bei 200. Viel weiter kann es wohl nicht gehen«. Oder »Der Kurs war bei 100, jetzt ist er bei 10. Da kann man zugreifen«: beides Einschätzungen die sich unweigerlich einschleichen, aber absolut keinen Sinn ergeben.
Handlungstendenz
Wenn ein Problem auftaucht, muss man es lösen. Stark gestiegene Kurse sind ein Problem, denn sie könnten ja wieder sinken. Ein Börsencrash ist ein großes Problem, denn er gefährdet meine Existenz. Beides passiert an den Börsen regelmäßig, aus Gründen, die man erst im Nachhinein erkennt und zu Zeitpunkten, die niemand voraussehen kann.
Diesem natürlichen Drang nachzugeben, endet nie gut. Wenn man sich einen Plan zurechtgelegt hat, hat er solche Extremsituationen berücksichtigt. Wenn man mit der Art der Berücksichtigung nicht zufrieden ist, kann man den Plan ändern. Aber nicht während der Extremsituation, sondern für die nächsten.
Wenn man die verschiedenen Gefahren einmal erkannt hat und sich eingesteht, dass man ihnen auch selbst ausgesetzt ist, hat man schon viel erreicht. Im nächsten Schritt muss man Wege finden, sich gegen solche Gefahren zu schützen. Am effektivsten geht das, indem man bindende Regeln und Prozesse für jene Situationen einrichtet, in denen solche Gefahren drohen. Das klingt einengend, ist es auch. Aber es ist der effektivste und verlässlichste Weg.
Lassen sie die »Masters oft the Universe« ihre unermesslichen Ressourcen in die Schlacht um die effizientesten Wertpapierpreise werfen. Sie machen das wirklich gut. Als Privatanleger kann man sich einfach das Ergebnis dieser Schlacht, nämlich den jeweiligen Index, zu Nutze machen und wird langfristig oft sogar bessere Renditen erzielen, als die meisten Experten.
Wen interessiert das?