»Vielen Menschen schadet vor allem die Angst an sich, und das Schicksal vieler Menschen hat sich bereits erfüllt, während sie noch auf die Erfüllung ihres Schicksals warten«
_ Seneca
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Soll man Kapital, das für die Anlage am Aktienmarkt vorgesehen ist sofort und im Ganzen investieren, oder doch besser in Teilen über einige Perioden verteilt (sog. DCA- Dollar Cost Averaging)? Eine Frage, vor der mit Sicherheit jeder – hoffentlich sehr oft – irgendwann steht. Die Frage ist heute, nachdem Aktienmärkte seit annähernd 15 Jahren nur eine Richtung zu kennen scheinen, und Bewertungen an noch nie dagewesenen Höhen kratzen, besonders drängend.
Instinktiv wird man zu einer phasenweisen Investition neigen, das entspricht der gesunden Wesensart von Menschen: wenn es um Vermögen geht, ist es vernünftig nicht nach dem besten Ergebnis zu streben, sondern danach, das schlimmste Ergebnis zu vermeiden. Das Problem dabei ist, wie in praktisch allen Fragen im Bereich der Kapitalanlage, dass man instinktiv zwar das Richtige anstrebt, aber dann instinktiv Handlungen setzt, die so ziemlich das Gegenteil davon bewirken.
Glücklicherweise gibt es sehr gute und mittlerweile auch sehr weit in die Vergangenheit reichende Daten, mit denen man seine instinktiven Einschätzungen abgleichen kann.
Nick Maggiulli hat schon vor Jahren mit Zahlen belegt, dass es fast immer besser ist Kapital sofort am Aktienmarkt zu investieren, anstatt es über Perioden hinweg teilweise anzulegen. Den Beitrag habe ich nicht bei der Hand, aber er hat auch ein empfehlenswertes Buch, »Just Keep Buying«, über das und daran angrenzende Themen geschrieben. Für mich war damit die Sache erledigt. Die aktuelle Lage an den Aktienmärkten und die immer häufigeren Fragen, wie man das nun tatsächlich angehen sollte, sind der Grund, warum ich doch sowohl selbst, als auch genauer hinsehen möchte.
Insbesondere um zwei Fragen zu klären: (a) Nick Maggiulli hatte berechnet, dass Einmalanlagen in den meisten Fällen der bessere Weg sind und dass die Wahrscheinlichkeit umso höher wird, je länger der Zeitraum ist, über den man in Intervallen anlegt. Das ist klar und wurde mittlerweile schon öfter belegt, aber: wie groß ist der Vorteil in Rendite ausgedrückt? Kann es sein, dass DCA zwar weniger oft vorteilhaft ist, aber wenn es besser ist, dann so gut, dass es in Rendite ausgedrückt womöglich Einmalanlagen in Summe überlegen ist? (b) Gibt es bestimmte Marktphasen, die DCA begünstigen? Wenn ja, was zeichnet sie aus?
Die Antworten in Kurzfassung: Maggiulli hat mit seinem Buchtitel alles gesagt, was man dazu wissen muss: Just Keep Buying.
Es ist möglich, mit DCA das schlechteste Ergebnis zu verhindern. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, denn die wesentlichen Vorteile ergeben sich extrem selten und nur über kleine Zeitfenster hinweg. Im Vergleich zu DCA liegt man mit OneOff jedenfalls doppelt so oft im Vorteil und der Nachteil für DCA wird umso größer, je größere Intervalle man wählt. In etwa 90% aller Fälle sind die Unterschiede allerdings sowohl da, als auch dort, so klein, dass sie für langfristige Anlagehorizonte nicht erwähnenswert sind.
- Will man Kapital in einen Aktienindex anlegen und sucht nach der besten Einstiegstaktik, dann liegt man mit OneOff eindeutig im Vorteil.
- Befürchtet man, dass bald eine starke Korrektur zu erwarten ist (weil z.B. die Kurse schon zu hohe Niveaus erreicht haben), dann ist DCA der bessere Weg. Zumindest einen Teil investieren ist immer besser, als gar nichts tun.
- Befinden sich die Kurse im Sinkflug, dann sollte man DCA anwenden und sich über immer tiefere Kurse freuen. Und dabei nicht vergessen, dass es unter unzähligen Kursen nur einen einzigen Tiefstkurs gibt. Genau diesen treffen zu wollen, ist ein ungünstiges Bestreben.
Der folgende Chart zeigt DCA über 6 Monate im Vergleich zu OneOff für den S&P500 über die letzten 100 Jahre. Die rechte y-Achse zeigt die jeweiligen Vorteile in Prozent.
Die Antworten im Detail:
Zu (a) von vorhin: nein, bei Weitem nicht; DCA bietet zwar knapp dreimal öfter einen Vorteil von mehr als 15% gegenüber OneOff (31:10). Der insgesamt seltenere Vorteil von DCA und die noch viel selteneren günstigen Extreme erreichen in Summe nur etwas mehr als die Hälfte der aufsummierten Renditevorteile von OneOff. 90% der jeweiligen Vorteile liegen in der Gegend von etwa 10%, kommen bei OneOff aber doppelt so oft vor.
Zu (b): ja, Marktphasen, die für DCA einen nennenswerten Vorteil bringen sind eindeutig und leicht zu erkennen: Markteinbrüche von mindestens -20%, die sich über mindestens 6 Monate (bei größeren DCA-Intervallen jeweils entsprechend mehr) erstrecken bieten die besten Möglichkeiten (Covid-Panik im Frühjahr 2020 war zu kurz und für OneOff insgesamt günstiger, als für DCA).
Lasst man die dramatischen Jahre bis 1935 außer Acht, dann haben sich in den 90 Jahren seither nur 7 Gelegenheiten ergeben, in denen man mit DCA einen nennenswerten Vorteil erzielen hätte können. In zwei Phasen (Herbst 1937 und Herbst 2008) konnte man sich über jeweils eine Handvoll Monate hinweg einen Vorteil von 20%-30% sichern. Die restlichen fünf Gelegenheiten boten Vorteile von 15%-20%, allerdings mit Zeitfenstern von jeweils nicht mehr als zwei Monaten. Ein, zwei Monate zu früh oder zu spät, und der verbliebene Vorteil war nicht mehr der Rede wert.
Die Evidenz spricht eindeutig für OneOff. Führt diese Evidenz jedoch dazu, dass man „lieber doch noch ein bisschen abwartet“, dann ist DCA jedenfalls überlegen. Nicht zuletzt, weil nennenswerte Vorteile von OneOff (+10% und mehr) in nur 53 von 1200 Monaten (4.4% aller beobachteten Monate) auftraten.
Destilliert und eleganter ausgedrückt: war die Wachstumsrate der Kurse über die letzten X Monate positiv, dann wäre OneOff besser gewesen, als DCA über X Monate. Und umgekehrt. Das sieht man am besten am Beispiel des Nikkei 225, dem beliebtesten Argument gegen sogar „breit gestreute“ Aktienanlagen. Für den Zeitraum 1990 bis 2011 war DCA gegenüber OneOff, über alle unterschiedlichen Längen von Intervallen, im Vorteil. Ein schwacher Trost, andererseits wieder einmal eine Erinnerung daran, dass die solide Basis eines Portfolios aus tatsächlich breit gestreuten Indizes bestehen muss. Im MSCI World angelegtes Kapital hätte im selben Zeitraum “160%“ an Wert gewonnen, trotz des abgrundschlechten Jahrzehnts ab dem Jahr 2000.
Details zu S&P 500
| Vergleich OneOff vs DCA 6 Monate | Vorteil OneOff | Vorteil DCA |
|---|---|---|
| % aller Monate | 65.4 | 34.6 |
| maximaler Vorteil | 38.09% | 38.19% |
| mittlerer Vorteil | 4.04% | 3.43% |
| 10% der jeweiligen Vorteile größer als | 8.79% | 13.58% |
| OneOff vs | Vorteil Monate OneOff | kumulierter Vorteil OneOff | kumulierter Vorteil DCA |
|---|---|---|---|
| DCA 6 m | 65.4% | 3705% | 2280% |
| DCA 12 m | 68.4% | 6750% | 3645% |
| DCA 36 m | 74% | 16000% | 6560% |
Wachstumsraten über unterschiedliche Intervalle
S&P 500 (ab 1928), Nasdaq (ab 1971) und Nikkei 225 (ab1965)
| S&P 500 | Nasdaq | Nikkei 225 | |
|---|---|---|---|
| 6 Monate | |||
| Monate Total | 1168 | 650 | 723 |
| % Intervalle positiv | 68.24 | 72.15 | 62.93 |
| 18 Monate | |||
| Monate Total | 1156 | 638 | 711 |
| % Intervalle positiv | 76.38 | 80.25 | 70.75 |
| 36 Monate | |||
| Monate Total | 1138 | 620 | 693 |
| % Intervalle positiv | 83.13 | 87.26 | 74.75 |
Datenquelle: Robert J. Shiller
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