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Geschichte I

  • Tauschen kann man „Zug-um-Zug“ oder zeitversetzt.
  • Beim zeitversetzten Tausch wird der Tauschpartner, der gewillt ist auf sein Tauschgut zu warten, Garantien verlangen.
  • Anfangs bestanden solche Garantien in Form von sozialen Zwängen, später in Form von wertvollen „Agenten“ (meistens Gold oder Silber). Heute besteht diese Garantie in Form von Verträgen, die aufgrund eines funktionierenden Rechtsstaats durchsetzbar sind.
  • Geldscheine repräsentieren solche Veträge. Sie bescheinigen dem Eigentümer, dass er Anspruch auf eine Leistung hat. Bankguthaben bewirken Ähnliches, allerding über den Umweg der Bankwesengesetzgebung.

Wenn man Geld besitzt, kann man es verleihen, einen Kredit vergeben. Aber das ist hier nicht gemeint. Gemeint ist, dass alles Geld das heute im Umlauf ist, Kredit ist und somit irgendjemand schlussendlich Gläubiger ist. Diese Gläubiger sind – in der Regel – nicht Zentralbanken, sondern zum größten Teil – in der Regel1„In der Regel“ deshalb, weil aktuell aufgrund einzigartiger Umstände Zentralbanken sehr große Gläubiger sind. Aber das ist eine andere Geschichte und vorerst unwichtig. – der Privatsektor, also Haushalte und Unternehmen. Geld, in welcher Form auch immer, besitzt selbst keinen Wert (wie etwa Immobilien oder Gold), sondern leitet seinen Wert von einem Anspruch ab. Die Angestellte einer Volkswirtschaft bekommt am Monatsende die Bestätigung (in Form von Geld), dass sie Anspruch auf Leistungen (Produkte und Dienstleistungen) dieser Volkswirtschaft hat.

Um zu verstehen, wie es so weit gekommen ist, fängt man am besten beim Anfang an: Bevor Geld erfunden wurde, zu der Zeit, als Menschen noch nicht sesshaft waren und noch nicht in größeren Siedlungen oder gar Städten lebten. Schon damals haben Menschen Tauschgeschäfte abgewickelt, brauchten dafür aber aus konkreten Gründen noch kein Geld.

  • Erstens, weil nur selten getauscht wurde, und es nur wenige unterschiedliche Tauschgegenstände gab. Es war also kein großer Aufwand, sich auf ein Tauschverhältnis zu einigen.
  • Zweitens, weil bei zeitversetzten Tauschgeschäften informelle Kreditverträge ausreichten. Zeitversetzt im Sinne von: Ich helfe dir beim Bau deiner Behausung, dafür hilft du mir danach beim Bau meiner Behausung. Oder: Ich fertige dir ein Messer, dafür gibst du mir einen Monat lang jeden Tag ein Ei.

Was Menschen schon damals machen hätten können, um ihre Tauschgeschäfte fortschrittlicher zu gestalten, ist folgendes:

Wie gesagt, Kredit ist bei Zug-um-Zug Tauschgeschäften nicht notwendig. Wohl aber, wenn man 30 Eier gegen ein Messer tauscht. Einer der beiden Tauschpartner muss bei einem solchen Tausch in Vorleistung gehen, also einen Kredit2Kredit: abgeleitet von lateinisch credere „glauben, vertrauen“ und lateinisch creditum „das auf Treu und Glauben Anvertraute“ gewähren. Entweder der Hühnerhalter, der dem Schmied 30 Eier gibt, um nach 30 Tagen ein Messer zu erhalten, oder der Schmied, der für den Hühnerhalter ein Messer schmiedet und darauf vertraut, dass er im Gegenzug einen Monat lang Eier erhalten wird3Zu der damaligen Zeit gab es natürlich weder Hühnerhalter, noch Schmiede, aber es vereinfacht das Beispiel.

Angenommen, ein Schmied gibt einem Hühnerhalter ein Messer, für das er über die kommenden 30 Tage jeweils ein Ei vom Hühnerhalter bekommen soll. Der Schmied gewährt im Rahmen dieses Tauschgeschäfts also einen Kredit. Um das Geschäft fortschrittlicher zu gestalten, hätte der Hühnerhalter dem Schmied für das Messer 30 Schuldscheine geben können, mit denen der Schmid vom Hühnerhalter 30 Tage lang jeweils ein Ei für jeweils einen Schuldschein bekommen hätte. Diese Schuldscheine „entstehen“ dadurch, dass der Schmied vom Hühnerhalter Eier zu erhalten hat, ihm also einen Kredit gewährt hat, und belegen die Forderung des Ersten gegenüber dem Zweiten.

Ähnliches gilt auch für den Fall, dass jemand einen geeigneten Tauschpartner nicht sofort finden kann (der Hühnerhalter braucht kein neues Messer, vermutlich aber der Schafhirte, der in einigen Tagen wieder kommen soll), oder sich ein geeigneter Tauschpartner in einem anderen Dorf befindet.

Kredit ist notwendig, um Leistungen örtlich und/oder zeitlich zu transportieren.

Genauso, wie diese Schuldscheine eine Forderung belegt hätten, belegt unser Geld heute eine Forderung. Genauso, wie diese Schuldscheine durch Kreditgewährung entstanden wären, entsteht heute unser Geld. Es gibt einige wesentlichen Unterschiede zu heute, aber das Konzept ist das gleiche.

Der wichtigste Unterschied ist der, dass sich heute zwischen der Transaktion des Hühnerhalters und des Schmieds eine Bank befindet. Diese Bank

  • übernimmt (vom Schmied) die Position des Gläubigers. Kommt der Schuldner (der Hühnerhalter) seiner Verpflichtung nicht nach, behalten die Schuldscheine trotzdem ihre Gültigkeit, bzw. ihren Wert. Für den Schaden muss die Bank aufkommen.
  • gibt Schuldscheine (Geld) derart aus, die nicht an das Angebot des Schuldners (Eier) gebunden sind. Man kann mit ihnen jedes beliebige Angebot (Produkt/Dienstleistung) erwerben.

Der Staat, als einflussreichster Teilnehmer im Geldsystem, ist bisher noch nicht vorgekommen. Auch nicht Themen wie Ersparnisse (die natürlich auch verliehen werden können, allerdings nicht von Banken), Inflation und vieles mehr. Zusammenhänge die ausgesprochen essenziell, jedoch für das grundsätzliche Verständnis unseres Geldsystems nicht erforderlich sind, und daher an anderer Stelle angesprochen werden.

Die Frage, warum Menschen nicht schon damals „Kreditgeld“ eingeführt haben, wenn es angeblich so fortschrittlich ist, ist leicht beantwortet: Es gab weder die nötigen Voraussetzungen, noch den entsprechenden Bedarf.

Voraussetzungen, wie vor allem ein entsprechendes Rechtssystem, sowie ein entwickeltes Bankensystem. Ein Rechtssystem4Der erste uns bekannte Gesetzestext überhaupt, der Kodex Hammurapi, wird auf das Jahr 1.800 v.Chr. datiert, also etwa 1.000 Jahre nachdem die ersten großen Städte entstanden waren, mit dem persönliche Vertrauensverhältnisse ersetzt werden können, und ein Bankwesen, das als Gläubiger zwischen die Tauschpartner tritt. Bedarf gab es noch keinen, weil die Menschen nur selten tauschten und es noch nicht allzu viele Tauschobjekte gab. Auf die nötigen Voraussetzungen musste die Menschheit noch einige Jahrtausende warten. Der Bedarf entstand viel früher, als nämlich die Menschen sesshaft wurden und große Siedlungen gründeten.

Mit der Sesshaftigkeit explodierte das Bevölkerungswachstum und es konnte sich Arbeitsteilung entwickeln. Verschiedene Menschen konnten sich auf unterschiedliche Tätigkeiten spezialisieren. In einer Gemeinschaft mit ein paar Dutzend Mitgliedern konnte ein Messerschmid schwer davon leben, indem er alle paar Monate ein neues Messer herstellte.  In einer Stadt mit einigen Dutzend tausend Einwohnern aber sehr wohl5Uruk, die älteste bekannte Stadt, hatte  schon vor 5.000 Jahren bis zu 50.000 Einwohner. Diese Arbeitsteilung führt dazu, dass es viel mehr, und auch neue, Tauschobjekt gab, und dass Menschen auch viel häufiger tauschten.

Irgendwann wird der Zeitpunkt gekommen sein, wo zwischen den Tauschpartnern keine sozialen Abhängigkeiten mehr bestanden. Wo sich Tauschpartner möglicherweise gar nicht leiden konnten, oder sich nur vom Sehen her kannten. Zu diesem Zeitpunkt werden sie erkannt haben, dass Vertrauen nicht mehr ausreicht. Das zuvor beschriebene Konzept mit den Schuldscheinen wäre hier die eleganteste Lösung des Problems gewesen, denn der Bedarf war nun da. Aber man musste sich vorerst mit einer Zwischenlösung begnügen, denn den Sumerern fehlte vor 5.000 Jahren weiterhin das erforderliche Rechtssystem und Bankwesen.

Es ist schwer vorstellbar, dass sich damals ein „Rat der Weisen“ zusammengesetzt hatte, und nach gründlichen Überlegungen zu einer Lösung gekommen ist. Es wird eher, wie meistens in der Geschichte, so gewesen sein, dass sich durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren und Entwicklungen irgendwann eine Lösung durchsetzen konnte.

In unserem Fall bestand die Lösung in Tongefäßen, die etwa einen halben Liter fassten, mit Gerste gefüllt waren und sich als geeignete Zahlungsmittel etablieren konnten.

  • Tongefäße, weil es im Gebiet der Sumerer viel Tonerde gab und die Sumerer schon lange sehr geschickt mit Tonerde umgehen konnten.
  • Gerste, weil sie sich zum wertvollsten Gut der Gemeinschaft entwickelt hatte. Einerseits, weil in ihr der Großteil der Arbeit(-szeit) der Menschen gebunden war, andererseits, weil sie zum Grundnahrungsmittel geworden war. Günstig war auch die Tatsache, dass man Gerste gut portionieren und ohne besonderen Aufwand lange lagern konnte.
  • Zahlungsmittel, weil sich schon eine Elite etabliert hatte, der es gelegen kam, dass Gerste als Zahlungsmittel eingesetzt werden würde.
  • Diese Elite war entstanden, nachdem sich irgendwann jemand berufen gefühlt hatte, das wertvollste Gut der Gemeinschaft für die Gemeinschaft in einer sogenannten Tempelwirtschaft zu verwalten. Die Gemeinschaft stimmte zu, weil die Verwaltung ohnehin wenig Spaß machte und bemerkte, wie so oft, erst viel später, dass diese Position bald mit großer Macht verbunden werden würde. Dieser Jemand war nämlich plötzlich der Priesterfürst samt Gefolge und Beamten, und kümmerte sich bald ausschließlich um die Verwaltung der Ernte6Die Schrift wurde nicht erfunden, weil die Menschen Lyrik und Dichtkunst entdeckt hatten, sondern weil sie die zentrale Verwaltung des Getreides erleichterte. Was die Macht der Eliten weiter festigte, da man nun Lesen und Schreiben können musste, um die Ernte zu verwalten.. Die Elite arbeitete nicht mehr auf dem Feld, mussten aber trotzdem ernährt werden. Tongefäße, die ein Sila7Sila war ein mesopotamisches Volumenmaß. Das Maß galt als die kleinste Einheit in Babylon. Eine Vase des Fürsten Entemena von Lagaš weist eine Gravur von 10 sila auf und gilt damit als das älteste Normmaß der Welt. (etwa 0,48 Liter) fassten, hatten sich zu einem zentralen Element dieser Verwaltung entwickelt. Mit ihnen bemaßen die Beamten die geerntete Gerste und teilten sie den Menschen, und sich selbst, zu.

Der Übergang von direkten Tauschgeschäften zu Geschäften, die über einen „Agenten“ in Form von Sila8Zur Veranschaulichung: Ein Arbeiter verdiente 60 Silas im Monat, eine Arbeiterin 30 Silas, ein Vorarbeiter 1.200 bis 5.000 Silas abgewickelt wurden, war ein enormer Entwicklungsschritt. Er konnte sich durchsetzen, weil dieser „Agent“ einerseits das Leben der Sumerer entscheidend vereinfachte und andererseits die Macht der Eliten eher festigte, als schwächte. Einen entscheidenden Vorteil, den die Einführung eines Tauschmittels mit sich brachte war, dass es nun eine Verrechnungseinheit gab.

Ohne Verrechnungseinheit müssen sich Tauschpartner unzählige Tauschverhältnisse merken, berechnen und regelmäßig neu verhandeln. Bei nur 20 unterschiedlichen Produkten gibt es 190 Tauschverhältnisse, also Preise. Wenn sich der Preis eines Produktes änderte, musste man 190 Tauschverhältnisse neu berechnen, und wenn es statt 20 irgendwann 50 unterschiedliche Produkte gab, hätte man es mit 1.225 Tauschverhältnissen zu tun. Mit einer Verrechnungseinheit gibt es nur so viele Tauschverhältnisse (Preise), wie es Produkte gibt.

Dadurch wurden die Grenzen der Produktvielfalt aufgehoben und der Handel wurde noch lebendiger. Erst diese Entwicklung ermöglichte einen enormen Anstieg der Arbeitsteilung, der Produktinnovation und des Handels.

Neben den vielen Vorteilen, die Geld den Menschen eröffnete, entstanden auch einige Nachteile. Wie es immer der Fall ist, wenn etwas komplizierter, hier durch das Zwischenschalten eines „Agenten“, gestaltet wird. Die drei größten Nachteile, die Geld mit sich brachte waren, dass

  • nicht die Allgemeinheit festlegt, was als Geld gilt oder erlaubt ist. Es sind in der Regel die Machthaber, die zufällig gerade auch den Bestand und die Verteilung des jeweiligen Geldes unter Kontrolle haben.
  • Geld nie fälschungssicher ist und Menschen zeitweise sogar offensichtlich „falsches“ Geld (Scheidemünzen) aufgezwungen werden kann.
  • der Wert von Geld nur in seltenen Ausnahmefällen stabil ist
    • Der Wert hängt maßgeblich vom Vorkommen des Rohstoffs, aus dem Geld jeweils besteht, ab. Bei schlechter Gerstenernte gibt es zu wenige Zahlungsmittel, und die Preise sinken (Gerste wird wertvoller, weil knapper, und so entsteht Deflation). Werden neue Silbervorkommen entdeckt, trifft eine höhere Menge an Zahlungsmittel auf  die bisher übliche Menge an Angebot (Produkte/Dienstleistungen). Dadurch steigen die Preise, es entsteht Inflation.
    • Geld ist faktisch durch den Rohstoff, aus dem es besteht, begrenzt. Bei wachsender Wirtschaftsleistung muss der Wert des Geldes steigen, bzw. der Preis der Produkte sinken (weniger Geld pro Produkt, bzw. mehr Produkt pro Geld, was zu Deflation führt), damit die Wirtschaft weiterhin funktionieren kann. Die Geschichte hat gezeigt, dass Wirtschaftstreibende, aus welchem Grund auch immer, mit fallenden Preisen nicht zurechtkommen. Ein Mangel an Zahlungsmittel hat bisher noch nie zu Deflation, aber manchmal zum Zusammenbruch von Volkswirtschaften geführt.

Der Umstieg von einer Kreditwirtschaft zu einer Geldwirtschaft mithilfe eines „Tauschagenten“, des Geldes (anfangs in Form von mit Gerste gefüllten Tongefäßen), war also nicht die eleganteste Lösung, aber die praktikabelste. Eine Lösung die immerhin gut genug war, um sich vom Konzept her über knapp 5.000 Jahre hinweg, bis zur faktischen Abschaffung des Goldstandards, bewähren zu können.

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